Legendäre Spiele: 2015 rettet ein Freistoß das Kleeblatt

4.7.2020, 12:02 Uhr
Legendäre Spiele: 2015 rettet ein Freistoß das Kleeblatt

© Foto: Wolfgang Zink

In ihrer 117-jährigen Historie hat die SpVgg schon viele Kapitel Fußballgeschichte geschrieben. In einer Serie rufen wir legendäre Kleeblatt-Spiele in Erinnerung, vor allem aus der jüngeren Vergangenheit. Diesmal: der 17. Mai 2015.

Zwischen Triumph und Beinahe-Tragödie lagen 286 Tage. Mit 5:1 war die SpVgg Greuther Fürth am 11. August über den 1. FC Nürnberg hinweggestürmt und krallte sich mit dem Derbysieg die Tabellenführung. Am 24. Mai rettete sich die Spielvereinigung trotz eines trostlosen 0:2 in Leipzig mit letzter Kraft in der 2. Liga.

Was war passiert? Um die Saison 2014/15 zu verstehen, muss man einen Blick zurück auf das tragische Ende der Vorsaison werfen, als die SpVgg in der Relegation gegen den Hamburger SV scheiterte. Ein Ende, das nachhallte.

Selbstbewusste Lilien

Dass das Kleeblatt nicht den Worst Case – den direkten Abstieg – erlebte, dafür sorgte der Heimsieg am 33. Spieltag gegen den SV Darmstadt 98. Mit einem Erfolg hätten die Lilien den Aufstieg in die Bundesliga klargemacht, entsprechend selbstbewusst war der Auftritt vor dem Anpfiff. Mit einer Choreographie huldigten die Lilien-Fans ihrem Erfolgsmacher, Trainer Dirk Schuster. Dargestellt als "Hannibal" Smith vom A-Team und Zigarre (die die Fans mit einem Bengalo entflammten) stand dort: "Wir haben zwar keinen Plan, aber wir lieben es, wenn er funktioniert!"

"Ein Mentalitätsmonster"

Doch wie sah der Plan des Kleeblatts aus, um den Absturz zu verhindern? Ex-Trainer Mike Büskens erinnert sich: "Wir wussten, dass Darmstadt mit hohen Bällen agiert und dabei eine Leidenschaft wie kaum eine andere Mannschaft in dieser Liga an den Tag legt. Wir mussten sie früh unter Druck setzen und durften ihnen über das Gegenpressing keine Gelegenheit geben, über ihre Zweikampfstärke auf Ballgewinn zu gehen, sondern mussten aus diesen Drucksituationen rausspielen und freie Räume vertikal und horizontal finden."

Dass ein Aufstiegskandidat gegen einen potenziellen Absteiger spielte, verschärfte die Situation noch: "Die Darmstädter waren Mentalitätsmonster, wir hatten ein fragiles Konstrukt. Sie haben dir keine Sekunde Zeit gegeben und dich ständig bekämpft, was dir den Rhythmus nimmt."

Der Druck war enorm

Wichtig für diese Aufgabe waren Stephan Fürstner im zentralen Mittelfeld als Stabilisator und Lückenstopfer sowie Stephan Schröck, der erst zum dritten Mal als Stürmer auflief: "Mit Schröcky hatten wir jemanden, mit dem wir den Gegner von Anfang unter Druck setzen konnten, der aber auch Räume nutzen konnte, wenn der Gegner den Raum groß gemacht hat und dadurch schnell in die Tiefe starten konnte", erinnert sich Büskens. "Fürste dagegen war jemand, der schon bei eigenem Ballbesitz defensiv denkt und auf die Absicherung gegen Konter achtet."

Die Spielvereinigung lag auf Rang 14, punktgleich dahinter waren St. Pauli und Aue, 1860 München mit einem Punkt weniger auf Rang 17. Der Druck war enorm. Kapitän Wolfgang Hesl, der sich erst fünf Wochen zuvor das Syndesmoseband gerissen hatte, biss die Zähne zusammen und kehrte trotz auslaufenden Vertrags ins Team zurück. Es war ein Spiel, dem man anmerkte, um was es ging. Darmstadt stand tief, doch das Kleeblatt beging nicht den Fehler, ins offene Messer zu laufen.

Wie geplant, stellte die Spielvereinigung die Räume eng zu und ließ dem Gegner wenig Platz. Brenzlig wurde es mit der letzten Aktion vor der Halbzeit: Nach einer Ecke rutschte der Ball zu Hanno Behrens durch, der am linken Fünfereck den Ball links am Tor vorbeischoss.

Büskens reagierte zur Halbzeit: für den mit Gelb vorbelasteten Goran Sukalo kommt Marco Stiepermann. Nach einer Stunde setzt sich Schröck mit einem Tempodribbling in Szene, Lilien-Kapitän Aytac Sulu holt das Fürther Eigengewächs von den Beinen. Es gibt Freistoß aus 25 Meter zentral vor dem Tor. Eine Position, wie gemalt für einen Standardexperten. Im Ronhof ist die Luft zum Zerreißen gespannt, es ist klar: viele Möglichkeiten wird es nicht mehr geben. Marco Stiepermann tritt an, der Ball segelt über die Mauer hinweg und schlägt im linken Eck ein.

96 Minuten Spannung

Die Nachrichten aus den anderen Stadien erhöhten derweil den Druck. Die Abstiegskonkurrenten St. Pauli und 1860 München liegen beide auf Siegeskurs, bei einem Punktverlust droht der Spielvereinigung der Relegationsplatz.

Darmstadt kommt beinahe im Gegenzug zum Ausgleich, doch Hesl rettet stark gegen einen Kopfball von Ronny König. Mit jeder Minute wird die Partie ruppiger, Darmstadts Bregerie muss mit Gelb-Rot zum Duschen. Entlastung für die SpVgg brachte das nicht, die hohen Bälle segelten minütlich in den Fürther Strafraum. Nach 96 Minuten pfeift Kinhöfer ab.

Das vorherrschende Gefühl zunächst: Erleichterung. Das Kleeblatt hatte sein Schicksal am letzten Spieltag in Leipzig in der Hand. Doch gegen einen überlegenen Gegner zeigte sich, wie fragil das Kleeblatt noch war, chancenlos unterlag es 0:2. Weil Darmstadt zeitgleich mit einem 1:0 gegen St. Pauli den Aufstieg schaffte und der Karlsruher SC mit einem 2:0 gegen die 1860 München die Relegation erreichte, blieb der SpVgg der Albtraum 3. Liga erspart. Stiepermanns Freistoß hatte dem Kleeblatt die Haut gerettet.

Wie sich Mike Büskens an die Saison 14/15 erinnert, lesen Sie hier.

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