Nach überstandener EM-Quali: Löw verspricht Besserung

12.10.2015, 11:30 Uhr
Nach überstandener EM-Quali: Löw verspricht Besserung

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„Wir wissen, dass wir da in den nächsten Monaten schon noch einige Arbeit vor uns haben, um wieder auf das Niveau wie bei der WM zu kommen“, erklärte der Bundestrainer nach einer Qualifikation mit Hängen und Würgen. Der Auftritt gegen biedere Georgier hatte noch mehr Fragezeichen hinterlassen als die Pleite zuvor in Irland.

„Die EM ist wieder etwas anderes“, sagte Abwehrchef und Chefkritiker Jérôme Boateng, ergänzte aber deutlich: „So wie wir heute gespielt haben, brauchen wir nicht anzutreten. Gegen ein Spitzenteam kannst du so nicht spielen. Man muss schon Klartext reden.“ Der Münchner bekam beim Abschlussessen in der Nacht zum Montag einen tosenden Applaus von seinen Kollegen, da er als einziger Akteur alle zehn Quali-Spiele komplett bestritten hatte.

Korrekturen bis Juni 2016

„Das Etappenziel ist erreicht. Aber wir haben natürlich weitere Ziele und Luft nach oben“, erklärte Verbandschef Wolfgang Niersbach beim Mitternachtsbuffet. Zweifel habe er nicht, ergänzte der Präsident des DFB, der für das Frankreich-Ticket an die Gruppensieger rund vier Millionen Euro Prämie ausschüttet. Die großen Mühen und Probleme zum Qualifikationsabschluss werden die deutschen Fußball-Nationalspieler und den Bundestrainer aber noch eine ganze Weile begleiten.

„Wir sind im Moment ein Boxer, der viele Treffer landet, aber nicht frühzeitig den K.o. schafft“, bemühte Löw ein Bild aus einer härteren Sportart. Um das größte Defizit herrschte im Lager des Weltmeisters Einigkeit. „Wir müssen dahin kommen, dass wir diese absolute Geilheit, ein Tor machen zu wollen, wieder haben“, betonte Real-Madrid-Star Toni Kroos nach 93 zähen Minuten. Wie die Korrekturen bis zum Start der Fußball-Europameisterschaft am 10. Juni 2016 konkret aussehen sollen, wollten und konnten Trainer und Spieler nach dem mühevollen 2:1-Sieg gegen den Weltranglisten-110. Georgien nicht näher erläutern. Auf Knopfdruck wird das kaum gelingen.

Nach überstandener EM-Quali: Löw verspricht Besserung

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„Der Schnitt liegt jetzt bei sieben oder acht Torchancen, die wir brauchen“, beklagte Löw erneut die fehlende Effizienz des deutschen Spiels. Dabei ist eigentlich genügend Offensivpower vorhanden. „Unsere Spieler haben schon Vollstreckerqualitäten – Marco Reus, Thomas Müller oder André Schürrle normalerweise“, rätselte Löw.

Doch gerade die hatten vor 43.630 unzufriedenen Zuschauern in der ausverkaufen Arena den Punch vermissen lassen, obwohl der Gegner quasi schon in den Seilen hing. Allein der Dortmunder Reus versemmelte in der kalten sächsischen Herbstnacht ein halbes Dutzend vorzüglicher Tormöglichkeiten. Und als Georgien-Kapitän Jaba Kankawa (53. Minute) die Elfmeter-Führung von Thomas Müller (50.) ausglich, drohte 20 Minuten lang sogar die totale Blamage.

„Man hätte schon denken können, dass das nicht Georgien ist, sondern Italien oder Frankreich“, bemerkte Manuel Neuer. Der Welt-Torhüter verhinderte mit zwei Weltklasse-Paraden, dass Deutschland sogar noch in Gefahr geriet, in die Playoffs zu müssen. Erst Bayern-Stürmer Robert Lewandowski mit seinem 2:1 für Polen gegen Irland, dann Max Kruse mit dem DFB-Siegtreffer (79.) bannten schließlich diese Gefahr. Kollege Boateng machte als Chefkritiker klar, dass einige WM-Tugenden in den 15 Monaten nach dem großen Triumph von Rio de Janeiro verloren gegangen sind.

„Das kommt, wenn man einen Schritt zu wenig läuft und glaubt, es geht von alleine“, bemerkte der Münchner zu den Defiziten im Zusammespiel: „Wir müssen es hinten dann ausbaden.“ Mittelfeld-Organisator Kroos, der nach dem erneuten Ausfall von Kapitän Bastian Schweinsteiger zusammen mit Ilkay Gündogan auch nicht den Schlüssel für den Georgien-Riegel fand, sieht wie Löw keine unlösbaren Probleme.

"Nicht unser Anspruch"

„Ich kann versprechen, dass Deutschland auch bei dieser EM wieder eine sehr, sehr gute Mannschaft stellen wird mit allen Chancen.“ Chefcoach Löw erlebte in den zehn Quali-Spielen (sieben Siege, ein Remis, zwei Niederlagen), wie selbst Teams mit beschränkten Möglichkeiten den ausrechenbar gewordenen Weltmeister in Verlegenheit stürzten.

„Wir haben jetzt die Gruppe gewonnen, damit können wir sicherlich zufrieden sein. Mit den letzten zwei Spielen kann ich und bin ich nicht zufrieden, das muss man mit aller Klarheit sagen. Wie wir gespielt haben gegen Irland und Georgien, das ist nicht unser Anspruch“, fasste Löw die Ausscheidungsrunde zusammen. „Es war in dieser Qualifikation so schwierig wie nie in den letzten zehn, zwölf Jahren. Der Weg war kein einfacher“, gestand der Bundestrainer.

An seiner grundlegenen Spielphilosophie will der 55-Jährige zwar auch bei seinem fünften großen Turnier festhalten: Ballbesitz, Kombinationsfußball, Flexibilität. Doch das Team muss sich wieder neue, überraschende Möglichkeiten erarbeiten. „Rein im sportlichen, im taktischen Bereich müssen wir uns schon die eine oder andere Überlegung machen“, betonte Löw.

Über einen echten Strafraumspieler wie Mario Gomez in seinen besten Zeiten würde er zwar nachdenken. Zum Brechstangen-Fußball von einst wird der Weltmeister-Coach garantiert nicht zurückkehren: Man brauche jetzt nicht glauben, „dass man einen großen, kopfballstarken Spieler braucht – einen Horst Hrubesch“. Dessen Zeiten sind längst vorbei.

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