Neumarkter Skifahrer nimmt Paralympics ins Visier

16.11.2020, 08:25 Uhr
Neumarkter Skifahrer nimmt Paralympics ins Visier

© Foto: Glötzner

Wie kann ich es schaffen, auch wenn es unmöglich scheint? Wie umfahre ich all die Schwierigkeiten, um doch noch mein Ziel zu erreichen? Mit diesen Fragen ist Christoph Glötzner seit Kindesbeinen an konfrontiert, seine Antwort: "Analysieren, welche Wege zum Ziel führen und nicht aufgeben." Mit drei Jahren hat der Holzheimer bei einem tragischen Unfall sein rechtes Bein verloren, doch davon aufhalten lässt er sich nicht — vor allem nicht auf der Skipiste.

In einer Familie voller begeisterter Skifahrer kam nach dem Unfall die Frage auf: Ist das jetzt vorbei? "Gar nix ist vorbei" – das war die Antwort von Dr. Fritz Haas, dem behandelnden Chefarzt damals direkt nach dem Unfall, die als Mantra bis heute nachhallt. Haas, das ist das persönliche Vorbild des 16-Jährigen, denn der Arzt ist selbst oberschenkelamputiert und leidenschaftlicher Skifahrer. "Er hat Christoph ausdrücklich dazu motiviert, das Skifahren auf einem Bein zu lernen", erzählt Vater Walter Glötzner. "Er war sozusagen nach dem Unfall sein erster Skilehrer und hat ihm das Fahren beigebracht."

Durch Zufall in den Nationalkader

Komische Blicke habe es damals zunächst gegeben, für die Familie war das ein bedrückendes Gefühl, umso mehr, weil der Junior auch auf einem Bein hervorragend Ski fuhr. Also suchten die Glötzners einen neuen, ruhigeren Standort im Kaunertal – eine schicksalsträchtige Entscheidung, wie der Papa berichtet: "Wir wussten nicht, dass das der Standort der paralympischen Skifahrer war. Die wurden dann schnell auf uns aufmerksam." So kam der Kontakt zustande, der aus Christoph Glötzner einen Spitzensportler machte.

Selbst mit seinen vier Jahren hatte er damals etwas besonderes auf den Brettern, dieses magische Talent, das einem in die Wiege gelegt wird. "Dr. Haas hatte damals schon nach den ersten Skistunden gesagt: Der fährt mal bei Olympia", berichtet der Vater schmunzelnd. Dieser Weg hat den ehrgeizigen Filius in den vergangenen Jahren bereits in den Deutschland Cup und den Europa Cup geführt. Besonders stolz ist er auf die beiden Vizemeistertitel im Slalom und im Riesenslalom bei den Deutschen Meisterschaften 2020. Sein erstes Podium im Europa Cup erreichte Christoph im März in Zagreb.


Erlanger Para-Schwimmer schafft die Qualifikation für Tokio


Seit dieser Saison ist der Holzheimer Mitglied des Nationalkaders im Ski Alpin des Deutschen Behindertensportverbands (DBS). Damit ist er seinem großen Ziel, der Teilnahme und dem Medaillengewinn bei den Paralympics, ein ganzes Stück näher gekommen. Für Christoph Glötzner ist das jedoch kein Grund, sich auszuruhen, im Gegenteil: "Ich will mich noch stark verbessern, besonders bei der Technik mehr Druck auf das Schienbein zu bringen."

Mit Bundestrainer Justus Wolf gab es bereits erste Kontakte: "Er ist ein sehr erfahrener Trainer und gibt sich echt Mühe. Ich bin mir sicher, dass ich mich da verbessern kann." Den Slalom schätzt der Gymnasiast als seine stärkste Disziplin ein, doch auch den Sprung zum Super G, also den großen Abfahrten mit den höchsten Geschwindigkeiten, will er bald wagen – auch wenn das vor allem Mama Bettina ein paar Sorgenfalten bereitet.

Auch hier geht Christoph Glötzner seinen eigenen Weg, zu den Rennen oder Lehrgängen reist er fast immer alleine mit dem Team. "Irgendwann muss man auch selbstständig werden und das Training ist dann Trainersache", konstatiert Papa Walter, der Sohn stimmt ihm da voll zu: "Mir hilft das sehr und man lernt mit Problemen umzugehen." Dazu gehört mittlerweile auch, sich um Corona-Tests zu kümmern, um zu den Lehrgängen reisen zu dürfen: "Wir müssen uns vorher selbst um einen Corona-Test kümmern und das negative Testergebnis rechtzeitig vorlegen", erzählt der Skifahrer über die Hürden. "Dafür müssen wir direkt ein Labor finden, damit die Ergebnisse schnellstmöglich vorliegen."

Medizinstudium anvisiert

Doch ob die Lehrgänge überhaupt stattfinden, ist in der aktuellen Situation ungewiss und entscheidet sich oft erst kurzfristig. Weil die Strukturen in Österreich, Italien und der Schweiz meist besser sind, finden die Lehrgänge häufig im Ausland statt. Derzeit ist das kaum kalkulierbar. 21 Skitage sind immerhin trotz Corona in diesem Jahr zusammengekommen. Privat hält sich der 16-Jährige im eigenen Keller-Kraftraum fit und bekommt dafür Übungspläne vom Verband.

Und dann gilt es ja auch noch den anderen großen Traum zu erreichen: das Medizinstudium, denn auch hier dient Dr. Haas als Inspiration. Der Ehrgeiz ist nicht nur auf der Piste zu spüren: "Es ist zwar schwierig, alles unter einen Hut zu bringen, aber ich bekomme tolle Unterstützung von der Schule und einer Mitschülerin. Ich will in der Schule genauso gut sein wie beim Skifahren."

Athlet bei den Paralympics und Arzt – das klingt ambitioniert. Doch mit der Einstellung und dem Lebensmut von Christoph Glötzner würde es kaum verwundern, wenn er beides verwirklicht.

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