Pokalheld Schroth: Vom FCN-Angreifer zum Gipfelstürmer

1.5.2021, 16:17 Uhr
Markus Schroth zählte zu den Pokalhelden des 1. FC Nürnberg.

© Sportfoto Zink / WoZi Markus Schroth zählte zu den Pokalhelden des 1. FC Nürnberg.

Auf der blauen Kunststofflaufbahn neben dem grünen Teppich des Berliner Olympiastadions, vor den Augen von 74.220 Zuschauern und unter strahlendem Flutlicht reißt Markus Schroth den DFB-Pokal in den Nachthimmel der deutschen Hauptstadt. Denkt der Stürmer heute zurück an diesen unvergesslichen 26. Mai 2007, dann erinnert er sich besonders an "die Jubelszenen nach dem Schlusspfiff, den Autokorso vom Flughafen zum Hauptmarkt und den Empfang auf dem Hauptmarkt". Den Pokalsieg mit dem 1. FC Nürnberg bezeichnet er als ein "einzigartiges Erlebnis für den Verein, die Stadt und die Region" - und natürlich auch für ihn selbst, schließlich gewann er seinen ersten nationalen Titel in seiner Karriere als Berufsfußballer. Es sollte der letzte Titel bleiben. Und auch das letzte Pflichtspiel.

Das leichte Zwicken im Knie, das der damals 32-Jährige nach dem Wechsel zum TSV 1860 München nur wenige Wochen später verspürte und ihn, so die erste Einschätzung der Ärzte, für ein paar Wochen außer Gefecht setzen würde, entpuppte sich ein halbes Jahr und zwei Operationen später als ein Loch von der Größe eines Zwei-Euro-Stücks im Knorpel.

Markus Schroth verzeichnete 300 Bundesliga-Einsätze, ehe eine Knieverletzung den Stürmer zum Karriereende zwang.

Markus Schroth verzeichnete 300 Bundesliga-Einsätze, ehe eine Knieverletzung den Stürmer zum Karriereende zwang. © Karlheinz Daut

"Nach dem ersten Schock habe ich dann fast zwei Jahre lang alles medizinisch Mögliche versucht, um wieder fit zu werden. Es hat nicht geklappt", blickt der frühere Torjäger zurück. Im Jahr 2009 entschied er, seine Fußballschuhe nach 300 Bundesliga-Einsätzen an den Nagel zu hängen.


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Die sportliche Geschichte von Markus Schroth könnte aufgrund der Sportinvalidität an dieser Stelle enden – als schöne, erfolgreiche Geschichte mit einem bitteren Ende von einem Routinier, der sich einer jungen, talentierten Aufstiegstruppe anschloss, um dieser Stabilität zu verleihen, und mit ihr den größten Erfolg seiner Karriere in seinem letzten Spiel feierte. Doch die Verletzung fungiert in der aktiven Laufbahn des gebürtigen Karlsruhers als Wendepunkt, er selbst nennt sie gar ein "Geschenk, das mein Leben unglaublich bereichert hat". Nach seinem Karriereende und einem zweijährigen Intermezzo an der Seitenlinie bei den Löwen fand der frühere Angreifer eine neue sportliche Bestimmung: Extremläufe.

Fernab von der scheinbar makellosen Glitzerwelt des Profifußballs, von Zuschauern, teppichartigem Rasen und Flutlicht marschiert Schroth mittlerweile im Laufschritt über Stock und Stein durch die Berge Europas. Nachts trägt er eine Stirnlampe, deren Kegel ihm die nächsten Meter im alpinen Gelände ausleuchtet. "Es gibt für mich keine ablenkenden Gedanken, ich bin ganz im hier und jetzt. Es gibt immer nur den nächsten Schritt, den nächsten Anstieg, den darauffolgenden Downhill", erklärt Schroth.


Ohne Ball, dafür mit Stöcken: Schroth auf dem Weg nach oben


Ob unter Mondschein oder brennender Sonne, ob bei Gewitter oder Schnee: Er läuft, er läuft, er läuft. Er läuft beispielsweise beim Tor de Geants vorbei am Matterhorn, Monte Rosa, Gran Paradiso und Mont Blanc 330 Kilometer in 136 Stunden. Das entspricht der durchschnittlichen Laufleistung in rund 30 Fußballspielen, also nahezu einer gesamten Bundesliga-Saison, oder zeitlich dem Spielen von 65 Pokalfinalen à 120 Minuten mit viereinhalb Stunden Schlaf. Freilich, Extremläufer haben keine kräftezehrenden Zweikämpfe oder schnelle Richtungswechsel zu absolvieren, aber eben tausende Höhenmeter.

"Es war ein Wunder, das ich erleben durfte. Nach dem Totalschaden am Knorpel war es für mich unvorstellbar, längere Strecken zu laufen – schon gar nicht bergauf oder bergab", kommentiert der ehemalige Sportinvalide und heutige Extremläufer seine neue Leidenschaft, die er dank eines voll belastungsfähigen Knies entgegen aller Prognosen auszuüben vermag.

Ohne Ball, dafür mit Stöcken: Markus Schroth ist inzwischen ein begeisterter Trailläufer und Bergsteiger

Ohne Ball, dafür mit Stöcken: Markus Schroth ist inzwischen ein begeisterter Trailläufer und Bergsteiger © Foto:

"Mental hat mich die fachliche Kompetenz meiner Frau Petra als Mentalcoach und meine Offenheit für Neues darin unterstützt, das Wunder zuzulassen", führt der 46-Jährige fort.


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Die Passion seiner Frau für die Berge und für Chamonix beschreibt Schroth als "die entscheidende Inspiration für meinen Traum vom Ultratrail du Mont Blanc" und damit für den Beginn seiner Karriere als Extremläufer, für die Wiege all der "einzigartigen, unvorstellbaren Erlebnisse", die er in den vergangenen Jahren erleben durfte. Chamonix, das ist eine französische Gemeinde am Fuße des Mont Blanc, das Mekka des Bergsteigens, der Ort, an dem Schroth erstmals im Jahr 2015 die Atmosphäre bei einem Ultratrail erlebte. Erfasst vom Spirit der Szene absolvierte er drei Wochen später seinen ersten Lauf in Slowenien: "Beim Finish lag das Ziel bei einer Verpflegungsstation irgendwo in der Pampa." Wo früher, beim Erreichen des großen Erfolgs, das Stadion tobte, erwarteten Schroth beim Zieleinlauf seines ersten Ultratrails "nur zwei, drei Leute und meine Frau. Es war ein außergewöhnlicher Moment, der für mich noch wertvoller war als der Pokalsieg."

Diese Aussage mag verwundern. Warum bewegt einen Mann, der auf dem grünen Teppich des Berliner Olympiastadions, vor den Augen tausender Zuschauer und unter strahlendem Flutlicht den DFB-Pokal gewann, ein Zieleinlauf mitten im Nirgendwo mehr als sein größter fußballerischer Erfolg? Weil er erkannte "dass nichts unmöglich ist, dass Wunder geschehen". Weil er lernte, die eigene Vorstellungskraft zu überwinden, schließlich beginne das Leben erst dahinter. Weil jedes Ende ein neuer Anfang sein kann. Weil man manchmal nur weit genug in die Vergangenheit, in der ein Waldlauf im Training für Schroth kein Graus und ein Marathon sein Traum war, zurücksehen muss, um die Zukunft vorherzusehen.


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Und weil all das klassische Kalendersprüche sind, könnte man sie als leere, pathetische und idealistische Phrasen abstempeln. Aber sie stimmen doch, Markus Schroths Geschichte vom sportinvaliden Angreifer zum Gipfelstürmer beweist es.

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