Skitourengehen boomt und der DAV profitiert

29.1.2021, 12:03 Uhr
Skitourengehen boomt und der DAV profitiert

© Foto: Angelika Warmuth/dpa

Es tutet einige Male, bis Klaus Rieger ans Telefon geht. Zunächst ein Rascheln und Keuchen, zur Begrüßung die Erklärung: "Ich bin gerade auf der Loipe." Man vertagt das Gespräch. Am nächsten Tag berichtet er von seinem Feierabend-Sport: Unweit von seinem Wohnort am Rand der Fränkischen Schweiz hat der TSV Gräfenberg für Langläufer gespurt.


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15 Kilometer war Klaus Rieger unterwegs, die Strecke gäbe das Doppelte her – Traumbedingungen für Wintersportler, die in diesem Winter wenig zu lachen haben. Denn Vereinssport mit einem Skiclub ist ja verboten, privat in Gruppen Langlaufen oder Skifahren wegen der Kontaktbeschränkung ebenso. Hotels und Hütten sind geschlossen, einige Skiorte müssen sich sogar verbarrikadieren, um nicht von Wochenendausflüglern überrannt zu werden.

Klaus Rieger hätte also allen Grund, Trübsal zu blasen. Doch seine Stimme klingt irgendwie positiv, als er von seinem Ehrenamt berichtet: Er ist Vorsitzender der Wintersport-Abteilung der Fürther Sektion des Deutschen Alpenvereins (DAV). Der 55-jährige Ingenieur ist in der Fürther Südstadt aufgewachsen und vor einigen Jahren aufs Land gezogen, dem DAV aber treu geblieben, seit 40 Jahren.

Kein Rückgang, aber auch kein Zuwachs

130 Wintersportler hat Fürths größter Verein, der an die 5000 Mitglieder zählt. Daran konnte auch die Pandemie nicht rütteln. "Im Gesamtverein gibt es keinen Rückgang, aber auch nicht den üblichen Zuwachs", weiß er aus Gesprächen mit der Führung. Zweifellos wären ohne die Pandemie in diesem Winter weitere Menschen beigetreten. Rieger nennt den Grund: "Wir hatten enormen Zuwachs – in den vergangenen zwei Jahren haben wir das Angebot für Skitouren verdoppelt bis verdreifacht."

Und das, obwohl es die anspruchsvollste Variante des Skisports ist: Die Ausrüstung ist mindestens 1000 Euro teuer, nicht alle Gebiete sind dafür geeignet, die Fahrer müssen für den Aufstieg auf den Fellen eine gute Kondition und für die Abfahrt auf unpräpariertem Gelände gute Technik besitzen. "Das sind meistens Leute, die im Sommer viel Sport treiben: Läufer und Radfahrer", beschreibt Rieger die Zielgruppe.

Neben der Fitness müsse man zwei weitere Dinge beherrschen: "Skifahren bei allen Schneeverhältnissen und Kenntnisse haben übers Gelände, denn man verlässt den gesicherten Skiraum." Dafür bietet der DAV eine "Lawinenverschüttungssuche" im Fürther Stadtwald an – natürlich nicht in diesem Jahr, denn Vereinsleben fand quasi nicht statt. Rieger ist selbst begeisterter Tourengeher und wollte in diesen Wochen die Trainerlizenz erwerben. In kleinen Gruppen von acht bis zehn Leuten organisierte der DAV in den vergangenen Jahren von Trainern geführte Ausflüge in die Berge.

Seit fünf Jahren boomt das Tourengehen

Tourengehen boome seit fünf Jahren, weiß Rieger, in diesem Winter gab es auch ohne das Angebot des Vereins "einen enormen Run auf die Pisten". Ob in Österreich oder in den deutschen Bergen – das Problem war hier und dort, dass einige über die Pisten aufstiegen. "Das führt zu unheimlichen Verstimmungen."


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Weil sie sich nicht anders zu helfen wussten, sperrten Liftbetreiber die Parkplätze. Doch es gebe auch eine positive Seite dieses Booms, findet der DAV-Abteilungsleiter: "Die Leute wollen von dem Skizirkus weg." Sport statt Après Ski, kleine Gruppen statt Massentourismus. Die Industrie reagierte, "das Material ist besser geworden, es ist einfacher für Einsteiger. Und das Angebot an Kursen und Ausbildung ist größer".

Auch der DAV hat sein Angebot aufgestockt, neben Ski Alpin, Tourengehen und Langlauf bietet er Schneeschuhwandern und Ski-Bergsteigen an. 60 Tourengeher hat die Fürther Sektion offiziell, doch Rieger vermutet viel mehr Mitglieder, die auf eigene Faust diesem Hobby nachgehen.

Split-Boards für junge Snowboarder

Obwohl niemand weiß, ob sie im März stattfindet, ist eine Skitouren-Fahrt nach Sellrain in Tirol bereits ausgebucht, auch weil sie für jugendliche Snowboarder geeignet ist, die mit teilbaren Split-Boards den Aufstieg nehmen. Während Snowboarden immer weniger Fans hat, komme diese Variante gerade in Mode, berichtet Rieger, trotzdem sei "das Heranführen von Jugendlichen an Skitouren nicht einfach", das beginne erst mit 25 Jahren. "Wir versuchen, die Jugendarbeit wieder zu forcieren, denn wir merken schon, dass das Interesse zurückgeht."

Die ganze Hoffnung liegt also auf dem März, drei Skitouren nach Osttirol, Großarl und die nach Sellrain sind geplant, die Quartiere lassen kurzfristige Stornierungen zu. Den Februar hat er für Vereinsfahrten abgehakt. "Solange es ging, sind einige private Fahrten zum Ochsenkopf die einzige Alternative gewesen", erzählt er, auch das Allgäu sei für Tagestouren nach Aufhebung der 15-Kilometer-Regel wieder interessant oder eben Langlaufen in Waller (Landkreis Nürnberger Land).

Bis zu 50 wackere Wintersportler machen derzeit montags online Skigymnastik, dienstags gibt es Yoga, sogar eine Lawinenschulung fand im Internet statt, das aber soll eine einmalige Sache bleiben.

" Skifahren ist nicht die Welt", tröstet sich Rieger am Ende des Gesprächs, "keiner stirbt, wenn er nicht fahren darf." Bis es wieder möglich ist, schwelgt er in Erinnerungen an "Moonlight-Skitouren" nach Liftschluss, etwa im Tannheimer Tal in Tirol oder in Schladming. Besonderen Reiz habe das bei Vollmond. "Das ist wirklich ein Naturerlebnis." Wenn nicht diese Saison, dann eben nächstes Jahr. Denn Rieger ist sicher: "Der Berg ist ja immer noch da."

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