Schmuckstück vom 54er-Triumph

21 Gramm historisches Gold: Kleeblatt-Sammler kauft WM-Medaille von Charly Mai

18.9.2021, 07:00 Uhr
Nur wenige Zentimeter groß, aber mit historischer Wucht: Die Medaille, die Charly Mai 1954 nach dem WM-Titel in der Schweiz bekam. 

© Hans-Joachim Winckler, NN Nur wenige Zentimeter groß, aber mit historischer Wucht: Die Medaille, die Charly Mai 1954 nach dem WM-Titel in der Schweiz bekam. 

Auf dem Wohnzimmertisch von Udo Zweckerl wird die Geschichte lebendig. In einer unscheinbaren blauen Schachtel liegt ein wenige Zentimeter großes und golden schimmerndes Andenken an eines der größten Spiele des deutschen Fußballs. Mit spitzen Fingern fasst der 51-Jährige die kleine Medaille an, die Karl Mai, den alle in Fürth nur Charly nannten, am 4. Juli 1954 bekam. An dem Tag, an dem Deutschland zum ersten Mal Weltmeister wurde, an dem Mai und seine Mitspieler Ungarn mit 3:2 schlugen, was später zum „Wunder von Bern“ erklärt und verfilmt wurde.

Wenn man die 21 Gramm Gold in Händen hält, wird die Geschichte greifbar. Man denkt sofort an Herbert Zimmermann, der dieses Spiel im Berner Wankdorfstadion für die Menschen an den Radios kommentierte. Wie Helmut Rahn den Ball sechs Minuten vor Schluss beim Stand von 2:2 am Fuß hat und Zimmermann die legendären Worte spricht.

Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt. Tooor. Tooor. Tooor. Tooor.

Ein paar Minuten später war Deutschland tatsächlich Weltmeister und Bundestrainer Sepp Herberger bekam auf dem Rasen eine Kiste mit Medaillen für die elf Feldspieler. Eine große Zeremonie mit Glitzerregen gab es damals noch nicht, auf Herbergers Drängen, erzählt Zweckerl, hätten zumindest die Ersatzspieler nachträglich auch noch eine Medaille bekommen.

In den Wochen, Monaten und Jahren danach bekam Charly Mai noch viele weitere Medaillen und Andenken an diesen so besonderen Erfolg. Die WM-Helden wurden in der damaligen Hauptstadt Bonn empfangen, auch Papst Pius XII. gewährte dem Weltmeister eine Audienz. All diese Andenken an eine große Karriere hat Else Mai nach dem Tod ihres Mannes 1993 wie einen Schatz gehütet, die Witwe war sehr stolz auf die Erfolge.

Als sie vor einiger Zeit aber ins Altersheim ging, konnte sie all die Andenken an die große Karriere ihres Mannes, eines der erfolgreichsten Fußballers der Spielvereinigung Fürth, nicht mitnehmen. Von einem Sammlerkollegen bekam Udo Zweckerl kürzlich den Hinweis, dass in einem Auktionshaus sehr viele Andenken an Charly Mai versteigert werden sollen. Der 51-Jährige, der seit vielen Jahren historische Kleeblatt-Dinge sammelt, musste nicht lange überlegen und erwarb alles für einen vierstelligen Betrag.

Verkauf ans Kleeblatt?

„Der Wert wurde vollkommen falsch eingeschätzt“, sagt Zweckerl. Allein die Goldmedaille sei wertvoller als der Preis für das gesamte Paket – das noch viele weitere interessante Stücke enthält. Darunter ist auch der Reisepass von Karl Mai, der ebenfalls historisch interessant ist. Dort ist neben der Reise zur WM in die Schweiz auch eine zum wohl politischsten Fußballspiel aller Zeiten gestempelt. 1955 trafen sich die Sowjetunion und Deutschland erstmals nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder auf dem Platz.

Zu dieser Zeit waren noch viele Deutsche in sowjetischen Kriegsgefangenenlagern interniert – doch wenige Wochen nach dem Fußballspiel durften die letzten bereits in ihre Heimat zurückkehren. Der Fußball hatte dafür gesorgt, dass sich beide Länder wieder annäherten.

Sein Haus wird Udo Zweckerl mit all den Andenken, die er in den vergangenen Jahren gesammelt hat, aber nicht schmücken. Vieles hat er schon sortiert in große Kartons gepackt, am liebsten würde er seine komplette Sammlung an die Spielvereinigung verkaufen, damit die sie eines Tages in einem Museum ausstellt. „Das wäre die Ideallösung“, sagt Zweckerl. Einen mittleren fünfstelligen Betrag hätte er gerne – der tatsächliche Wert liege weitaus höher. Sollte der Verein nicht zugreifen, wonach es derzeit aussieht, werden wohl Fans aus dem Umfeld der Sportfreunde Ronhof den historischen Schatz kaufen und hüten.

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