Basketballnationalmannschaft

Thiemann in Tokio: Ein Olympia-Wunder für den fränkischen Riesen

21.7.2021, 14:21 Uhr
Da muss die Freude raus bei den langen Kerlen: Johannes Thiemann (Mitte/Nummer 32) und seine Mitspieler haben gerade das Ticket für das olympische Basketballturnier in Tokio gelöst.

© Tilo Wiedensohler, NN Da muss die Freude raus bei den langen Kerlen: Johannes Thiemann (Mitte/Nummer 32) und seine Mitspieler haben gerade das Ticket für das olympische Basketballturnier in Tokio gelöst.

Am 16. Mai schienen gleich mehrere Träume von Johannes Thiemann zu platzen. Im deutschen Pokalfinale gegen den FC Bayern München musste er nach einem Schlag von Vladimir Lucic mit schmerzverzerrter Miene vom Feld. Thiemanns Team Alba Berlin verpasste die Titelverteidigung im Cup, und auch in der Meisterschaft schienen den Hauptstädtern die Felle davonzuschwimmen. Die Diagnose beim 2,05 Meter großen Center: Teilabriss eines Bauchmuskels.

Dass er jetzt am Telefon in Tokio sitzt, erscheint ihm daher "schon ein bisschen irreal". Denn obwohl die Verletzung ziemlich hartnäckig war, wendete sich für den 27-Jährigen, der aus Neunkirchen am Brand stammt und beim TB Erlangen relativ spät mit dem Basketball spielen begann, doch noch alles zum Guten. Die folgenden Wochen waren "ganz schlimm", wie er sagt. "Zuschauen müssen, ohne eingreifen zu können, das war schwer zu ertragen."

Aber letztlich gewann er den Wettlauf mit der Zeit gegen die eher seltene Verletzung. In den letzten Playoff-Spielen (abermals gegen die Bayern) stand Johannes Thiemann wieder im Alba-Kader. Noch nicht bei 100 Prozent, aber er bekam etwas Einsatzzeit - "und ich stand wieder im Team und konnte helfen, das war wichtig". Dass den Berlinern in der Meisterschaft die Titelverteidigung gelang, war das erste Tüpfelchen auf dem I dieser Saison.

NBA-Profis zu teuer

Das zweite, größere sollte aber noch folgen. Im kroatischen Split trat die Auswahl des Deutschen Basketballbunds (DBB) zum Olympia-Qualifikationsturnier an. Ohne ihren Paradiesvogel Dennis Schröder - der DBB kann sich die Versicherungssummen für den Spielmacher-Star nicht leisten - von den Los Angeles Lakers und andere NBA-Stars wie Maxi Kleber oder Daniel Theis gab es in der Vorrundengruppe knappe Siege gegen Mexiko und Russland, die nächsten Aufgaben schienen aber eigentlich unlösbar.

Im Halbfinale wartete Gastgeber Kroatien, der aber trotz Zuschauerunterstützung mit 76:86 unterlag. Im Endspiel kam es noch dicker: Der Gegner hieß Brasilien, ein Stammgast bei Olympia mit einer Top-Offensive. Aber die DBB-Auswahl wuchs noch einmal über sich hinaus, hielt die Südamerikaner mit 75:64 in Schach und schaffte damit erstmals seit 2008 (damals mit Superstar Dirk Nowitzki) wieder die Olympia-Qualifikation. Mittendrin: Johannes Thiemann, der als Center oder auf der Vierer-Positionen zweimal in der Startformation stand und zweimal von der Bank kam.

Die Trümpfe seines Teams, das eindeutig "über die Defensive" ins Spiel kommt, sieht er in der Ausgewogenheit. "Die Lasten sind gut verteilt, es gibt in der Offensive mehrere Spieler, die um die 20 Punkte machen können." Und jetzt sei auch bei Olympia einiges drin, glaubt Thiemann. "Wir haben jetzt richtig Bock, noch ein paar Favoriten zu ärgern."

Auftakt gegen Italien

Beginnen will das Team von Trainer Henrik Rödl damit am Sonntag (Sprungball 6.40 Uhr) gegen Italien, Australien und Nigeria sind die anderen Rivalen - beide haben zuletzt Testspiele gegen Topfavorit USA gewonnen. Die ersten beiden und zwei beste Dritte aus den drei Vorrundengruppen stehen im Viertelfinale. "Unsere Gegner sind der Papierform nach alle individuell stärker besetzt", sagt Johannes Thiemann. Aber als Team könne man nach den jüngsten Erfolgen dagegenhalten.

Seit Montag sind die deutschen Korbjäger in Japan und genießen den olympischen Spirit. "Wir sind natürlich in einer Blase, in der aber absolut korrekt und regelmäßig getestet wird, was ich gut finde. Und innerhalb dieser Blase herrscht im olympischen Dorf weitgehend Normalität - auch beim Kontakt zu anderen Sportlern."

Am Sonntag wird es ernst - und im heimischen Franken werden sicherlich auch die Basketballer von Thiemanns Ex-Klubs in Erlangen, Breitengüßbach, Baunach und Bamberg die Daumen drücken. Und vielleicht noch ein paar Fußballer des TSV Neunkirchen, für den der junge Johannes einst kickte, bevor er "seine" Sportart entdeckte.

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