Vorsicht, Sturzgefahr! Bei der Tour de France könnte es krachen

25.8.2020, 12:51 Uhr
Die beiden Fahrer Maximilian Schachmann und Emanuel Buchmann vom deutschen Team Bora-hansgrohe hat es dieses Jahr schon mit schweren Stürzen erwischt. Wie viele andere Rad-Profis werden bei der 107. Ausgabe der Tour de France dazukommen?

© Roth/Augenklick, Augenklick/Roth Die beiden Fahrer Maximilian Schachmann und Emanuel Buchmann vom deutschen Team Bora-hansgrohe hat es dieses Jahr schon mit schweren Stürzen erwischt. Wie viele andere Rad-Profis werden bei der 107. Ausgabe der Tour de France dazukommen?

Die Krankenbett-Connection funktioniert dank der sozialen Netzwerke bestens. Der belgische Wunderjunge Remco Evenepoel und sein Teamkollege Fabio Jakobsen schreiben sich eifrig Nachrichten hin und her. Zeit genug haben sie ja, die Radsport-Saison 2020 ist für die beiden Jungstars quasi gelaufen. Sie teilen das gleiche Schicksal. Evenepoel liegt mit einem Beckenbruch flach, und Jakobsen ist nach seinem Horror-Crash in Polen froh, allmählich wieder unabhängig leben zu können. Das Radprofi-Duo zählt zu den Opfern bei den vielen Stürzen in den Rennen seit dem Neustart.

Mehr Spektakel, mehr Zuschauer, mehr Geld

Schlimme Sturz-Bilder hat der Radsport produziert, obwohl der Höhepunkt der Saison noch gar nicht erreicht ist. Drohen bei der Tour de France ähnlich dramatische Szenen, zumal es beim größten Radrennen der Welt gewöhnlich noch etwas hektischer zugeht? "Das kann durchaus sein. Das können wir nicht beeinflussen", sagt Teamchef Ralph Denk von der Bora-hansgrohe-Mannschaft der dpa und fügt hinzu, dass Stürze nun einmal auch Teil des Jobs seien.


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Sicherlich war das Metier des Radprofis schon immer gefährlich, doch die Veranstalter sind auch nicht ganz unschuldig. Bergab-Sprints bei Tempo 80, rasante Abfahrten auf Schotterstraßen oder glitschige Kopfsteinpflaster-Passagen - mehr Spektakel bringt höhere Einschaltquoten und entsprechend mehr Geld. Die Leidtragenden sind die Fahrer, die ihre Gesundheit nicht länger riskieren wollen.

"Wie viel mehr schlimme Unfälle müssen passieren, damit sich etwas ändert?", fragt der viermalige Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin, der seit Jahren - oftmals vergebens - auf Missstände hinweist. Sein Jumbo-Visma-Teamchef Richard Plugge pflichtet ihm bei: "Es muss sich was ändern. Unser Helm wird tausendmal getestet, aber bei der Strecke sagt die UCI schnell: 'Ja, passt schon!' Wir haben kein Vertrauen mehr in die UCI."

So war der Weltverband beim Horror-Crash von Jakobsen bei der Polen-Rundfahrt schnell dabei, den Sturzverursacher Dylan Groenewegen anzuklagen. Doch der Verband war es selbst, der die riskante Strecke mit den schlecht befestigten Absperrgittern durchgewinkt hat. Auch die Abfahrt bei der Dauphiné-Rundfahrt, als Emanuel Buchmann und Steven Kruijswijk unsanft zu Boden gingen, wurde nicht beanstandet. Es gebe bessere Straßen in dieser Gegend, monierte Buchmann, dessen Tour-Vorbereitung empfindlich gestört ist. Altstar André Greipel findet es "respektlos" den Fahrern gegenüber.

Die UCI will nun ihre Maßnahmen erhöhen. Bis zum Ende der Saison sollen die Inspektionen vor und während der Rennen erhöht werden, teilte die UCI mit, prangerte aber auch das Fehlverhalten der Organisatoren an und schloss Disziplinarverfahren nicht aus.

"Die Jungs müssen riskieren"

Und was bringt die Tour? Sicher werden die Absperrgitter nicht wie in Polen durch den Zielbereich fliegen. Gefahrenstellen auf Abfahrten dürften auch besser markiert sein, und eine betagte Autofahrerin - wie bei der Lombardei-Rundfahrt zum Leidwesen von Maximilian Schachmann (Schlüsselbeinbruch) geschehen - wird auch kaum auf die Strecke gelangen.


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Trotzdem geht es bei der Tour noch einmal extremer zur Sache, schließlich kann ein Etappensieg die Saison eines Fahrers, eines Teams retten. Das weiß auch Denk: "Ich kann nicht in den Bus reingehen und sagen: 'Jungs passt auf.' Das wäre das falsche Signal. Die Jungs müssen schon etwas riskieren, und da bin ich dankbar, dass sie das auch machen. Wenn das zu gefährlich ist, muss ich mich als Rennfahrer fragen: Bin ich im richtigen Beruf?"

Und da der Radprofi quasi am Ende der Nahrungskette steht, ist der Druck besonders groß. "Die Fahrer haben nur zwei Monate Zeit, ihren Marktwert zu bestimmen. Das könnte manche dazu verleiten, keine Rücksicht zu nehmen. Wenn die Saison acht Monate lang ist, ist das alles viel entspannter", erklärt Ex-Profi Jens Voigt. Dazu habe die Corona-Pause ihren Teil beigetragen: "Die haben jetzt sechs Monate nur trainiert, die sind fit. Aber das ist nicht so wie ein Rennen fahren. Sie sind weniger konzentriert und machen bei der Abfahrt Fehler." Fehler, nach denen die Profis oftmals im Krankenbett enden.

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