WM-Kolumne: Russland spielt fünf Mal besser als Deutschland

15.6.2018, 11:33 Uhr
Russische Fans empfangen ihre Mannschaft nach dem Halbfinal-Aus bei der EM 2008.

© DMITRY KOSTYUKOV Russische Fans empfangen ihre Mannschaft nach dem Halbfinal-Aus bei der EM 2008.

"Fußball 2000" - das war eine vielbeschworene Zukunftsvision, als das alte Jahrtausend in seine letzte Dekade ging. Eintracht Frankfurt mit Stein, Bein und Yeboah spielte Anfang der 1990er-Jahre in der Bundesliga "Fußball 2000", gewann dann aber doch nichts damit – wie leider auch die Russen mit ihrem Trainergenie Valeri Lobanowski, die schon Mitte der 1980er die Welt mit "Fußball 2000" verzauberten. Aber das EM-Finale von 1988 in München gegen die Niederlande verloren. Gut, diese Russen waren noch Sowjets und kamen überwiegend aus der Ukraine, aber es war einfach: wunderschön.


Liebesgrüße aus Nürnberg: Unser WM-Podcast!


Als dann 2000 gekommen war, das Jahr, spielte die deutsche Mannschaft blöderweise "Fußball etwa 1984" und schied schändlich in der EM-Gruppenphase aus. Und als sie "Fußball 2000" endlich beherrschten, die Deutschen, schrieb man leider schon das Jahr 2008, immerhin kämpfte sich Joachim Löws Team damals mit viel Glück ins Finale der EM, die eine andere Mannschaft zum Ereignis machte.

Die WM-Kolumne der Nürnberger Nachrichten heißt Grasnost.

Die WM-Kolumne der Nürnberger Nachrichten heißt Grasnost. © Bronislav Hava

Die Russen (jetzt richtige Russen, keine Sowjets) zeigten in Österreich und der Schweiz berauschende Spiele, die Sbornaja mit dem Nürnberger Bundesliga-Profi Ivan Saenko war 2008 die Lieblingsmannschaft nicht nur des berühmten Trainers Hans Meyer, und obwohl sie im Halbfinale den Spaniern unterlag, glaubte die Welt, einen roten Stern aufgehen zu sehen.

Lernen von Bundes-Jogi 

Das war leider – wieder – ein Irrtum, nach 2008 kam nichts mehr, in der Qualifikation zur WM 2010 scheiterte das riesige Russland am winzigen Slowenien, vor vier Jahren ging es nach der WM-Gruppenphase sieglos wieder heim. Entsprechend aussichtslos schien nun die russische WM-Mission im eigenen Land, der Gastgeber traute nicht einmal sich selbst viel zu, aber sieh an: 5:0 zum Auftakt gegen Saudi-Arabien, gegen jene Saudis, die Deutschland gerade erst mit Müh und Not und Ach und Krach besiegte (2:1).

Vergleicht man also munter Äpfel mit Birnen – oder halt Williams mit Wodka – wäre Russland jetzt rechnerisch fünf Mal besser als Deutschland. Vor allem war es der erste russische Sieg bei einer WM seit 2002 (2:0 gegen Tunesien) und freute man sich mit dem netten Trainer Stanislaw Salamowitsch Tschertschessow, der einst bei Dynamo Dresden das Tor bewachte und später das des FC Tirol – unter einem Jung-Trainer namens Joachim Löw.

Ein Foto aus besseren Tagen. Die russische Nationalmannschaft bei der EM 2008. Erst nach einer 0:3 Niederlage gegen Spanien war für die Sbornaja Schluss.

Ein Foto aus besseren Tagen. Die russische Nationalmannschaft bei der EM 2008. Erst nach einer 0:3 Niederlage gegen Spanien war für die Sbornaja Schluss. © PASCAL PAVANI

Wie weit ihr Fußball 2018 die Russen jetzt trägt, wird man sehen, aber wer immer heimliche Turnier-Lieblingsmannschaften sucht, bekam zum WM-Auftakt eine Empfehlung. Putin hin oder her: Es gibt sehr viel an Russland, das man sehr mögen kann.

Verwandte Themen


Keine Kommentare