"Ziemlich übertrieben": Erlangens WM-Fahrer im Interview

5.2.2021, 15:22 Uhr
Zwei Erlanger für Deutschland: Sebastian Firnhaber (Mitte) und Antonio Metzner (links daneben) sind wieder beim HCE.

© Herbert Bucco via www.imago-images.de, NNZ Zwei Erlanger für Deutschland: Sebastian Firnhaber (Mitte) und Antonio Metzner (links daneben) sind wieder beim HCE.

Herr Metzner, Herr Firnhaber, Sie haben sich mehrere Wochen ein Zimmer geteilt, und nun sind Sie wieder getrennt: Vermissen Sie sich schon?

Metzner (lacht): Auf jeden Fall. Ich hab’ heute auch schlecht geschlafen. Nein, Spaß bei Seite, es ist schon etwas anderes, wieder allein zu sein.

Firnhaber: Die Zeit mit Toni war sehr schön, wir kennen uns ja von den Auswärtsfahrten mit dem Klub. Ich muss aber auch gestehen, dass ich schon froh war, heute mal in meinem eigenen Bett neben meiner Freundin schlafen zu können.

Metzner (lacht): Die Antwort nehme ich auch!

Haben Sie in dieser Zeit Macken am jeweils anderen kennengelernt?

Firnhaber: Also neu kennengelernt nicht, aber wir wissen, wie wir uns beide zu nehmen haben und welche Macken wir haben. Das ist das Gute.

Metzner: Wir wussten beide, worauf wir uns einlassen, das hat die Zeit erträglich gemacht.

Wie ist das, wenn man eben noch im nationalen Fokus und immer unter Anspannung stand – und dann plötzlich wieder zu Hause aufwacht? Fällt da Anspannung ab?

Metzner: Ich bin tatsächlich froh, dass ich gerade auf der Couch liege. Aber ich habe das alles noch gar nicht realisiert, das dauert wohl ein paar Tage. Es ist surreal, dass ich gerade noch in Ägypten war und jetzt zu Hause in meinem Wohnzimmer bin. Natürlich hatten wir uns gewünscht, dass wir eine Woche später nach Hause kommen.

Firnhaber: Mir geht’s ähnlich. Mir gibt das alles vor allem Motivation für die nächsten Aufgaben. Ich freue mich extrem darauf, mit dem HC Erlangen wieder auf Punktejagd zu gehen. Es fühlt sich nicht so an, als bräuchte ich jetzt Urlaub, sondern ich würde am liebsten direkt in die Halle und mit den Jungs Handball spielen.

Hat HCE-Trainer Michael Haaß Ihnen schon Hausaufgaben gegeben?

Firnhaber: Ehrlich gesagt hat er gesagt, dass wir es ruhig angehen und alles sacken lassen sollen. Man darf den ganzen Druck der letzten Wochen natürlich nicht unterschätzen, da wird mental und vielleicht auch körperlich bestimmt noch einiges auf uns zukommen.

Gewöhnt man sich eigentlich an das tägliche Teststäbchen in der Nase? Oder ist das beim zehnten Mal genauso unangenehm wie beim ersten Mal?

Metzner: Anfangs dachte ich, man gewöhnt sich nie daran. Aber es hängt auch immer davon ab, wer dir das Stäbchen in die Nase haut. Manch einer ist sehr zärtlich, andere suchen etwas in deiner Nase. Es ist nicht immer ganz so schön, gehört aber halt mittlerweile dazu.

Der tägliche Corona-Test war Teil des viel kritisierten Hygiene-Konzepts der WM. Gab es Momente, in denen Sie sich unwohl gefühlt haben? Oder unsicher?

Firnhaber: Als wir im Hotel ankamen und beim ersten Abendessen gesehen haben, dass es ein Buffet für alle Mannschaften gibt, die kurz zuvor aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt angereist waren. Das war so ein Moment. Und dann nochmal, als Kap Verde im Hotel angekommen ist, wobei die komplett isoliert waren. Unsere Offiziellen haben sich zum Glück sehr für verbesserte Bedingungen eingesetzt, wie einen eigenen Essensraum, einen eigenen Flur.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Metzner: Wir haben uns zurückgehalten beim Buffet und sind auf Abstand zu den anderen gegangen. Als wir dann aufs Zimmer gekommen sind, haben wir uns kurz angeschaut und gesagt, das war jetzt irgendwie kritisch. Aber zum Glück hat sich schnell vieles verbessert.

Zum Sportlichen: Das Abschneiden – Platz zwölf – war historisch schlecht, woran hat das gelegen?

Firnhaber: Puh, wo soll ich anfangen? Klar war es enttäuschend, wir wären gerne noch ein paar Tage länger in Ägypten geblieben. Nach dem Spanien-Spiel war viel Frust da, weil klar war: Es kommen noch zwei Spiele, und es geht gefühlt um gar nichts. Wir sind nicht mit einem guten Gefühl in Deutschland gelandet. Wir hatten am Ende neun Ausfälle, waren komplett neu zusammengewürfelt, und vor dem ersten Pflichtspiel gegen Österreich hatten wir zweieinhalb Tage Vorbereitungszeit. Aber wir können trotzdem positive Dinge herausziehen: Wir haben das ganze Turnier über einen überragenden Angriff gespielt und auch in der Abwehr viele gute Sachen gemacht. Auch gegen Ungarn und Spanien hatten wir die Chance, das Spiel zu drehen.

Das ist aber nicht gelungen. Von außen hatte man den Eindruck, dass Führungsspieler und auch Verantwortliche dann ziemlich gereizt wirkten. Wie war denn die Stimmung intern?

Metzner: Wir kamen ja neu ins Team, und ich finde, es war von Anfang bis zum Ende eine gute Harmonie da. Da gab es intern keine Schuldzuweisungen oder ähnliches. Das kam nur von außen, von den Medien. Im Gegenteil, wir haben uns auch bei Fehlern gegenseitig aufgebaut. Viele übersehen, dass wir gegen Ungarn und Spanien nicht chancenlos waren. Da wird dann nur auf das Ergebnis geschaut und gesagt: Oh, die haben verloren, die sind schlecht. Dabei hat uns lediglich die Abgezocktheit gefehlt. Ich finde diese mediale Aufmerksamkeit ziemlich übertrieben.

Firnhaber: Mannschaftsintern haben alle an einem Strang gezogen. Gerade nach der Niederlage gegen Spanien sind Spieler zu mir gekommen und haben mich aufgebaut. Ich finde, das wird zu wenig beachtet. Wir waren trotz allem eine coole Mannschaft.

Herr Firnhaber, Sie haben viel Spielzeit bekommen – haben Sie das Gefühl, Ihre Chance genutzt zu haben?

Firnhaber: Ich bin selbstkritisch. Ich hätte gerne besser gespielt und wäre gerne ins Viertelfinale eingezogen. Obwohl alle wussten, dass das mit Johannes (Golla, Anm. d. Red.) und mir im Mittelblock schwierig wird, wir hatten ja noch nie zusammengespielt. Natürlich bin ich deshalb etwas enttäuscht. Aber ich habe auch wahnsinnig viel gelernt und versuche, daran zu wachsen. Ich komme mit ganz, ganz viel Selbstvertrauen zum HC Erlangen zurück.

"Natürlich bin ich nicht zufrieden"

Herr Metzner, Sie durften gar nicht spielen. Sind Sie enttäuscht?

Metzner: Ich wäre ja kein richtiger Handballer, wenn ich nicht sagen würde: Wenn ich dabei bin, will ich auch spielen. Natürlich bin ich nicht zufrieden, sonst hätte ich im Nationalteam auch nichts verloren. Aber es ist eben so gekommen, wie es gekommen ist. Man muss auch ehrlich sagen, dass Kai Häfner und David Schmidt auf meiner Position nicht so schlecht waren, dass man mich unbedingt hätte bringen müssen. Es klingt nach einer Phrase, aber ich bin froh, dass ich dabei war und die ganze Atmosphäre aufsaugen durfte. Im Verein will ich jetzt zeigen, dass ich zu Recht nach Ägypten gefahren bin und zu Unrecht nicht gespielt habe.

Firnhaber: Toni hat das trotz allem vorbildlich gemacht. Im Training hat er die anderen gepusht und herausgefordert.

Hoffen Sie, auch weiterhin im Kreis der Nationalmannschaft dabei zu sein?

Firnhaber: Klar. Dieses Gefühl, vor dem Spiel die Hymne zu singen, das macht einen süchtig. Man empfindet einfach Stolz. Am Ende entscheidet das der Bundestrainer, aber mich motiviert das, im Verein weiter Gas zu geben.

Metzner: Wenn man ehrlich ist: Semper, Wiede, Weinhold, Schmidt – ich habe da einige Leute vor mir. Aber es tut gut, ein Ziel zu haben: Ich muss an denen vorbeikommen.

Was haben Sie mitgenommen aus diesen drei Wochen? Sind Sie nun bessere Handballer?

Firnhaber: Es ist schon ein anderes Niveau als im Verein. Ich sage gar nicht, dass es besser oder schlechter ist, aber alle wollen sich zeigen, jeder bringt etwas ein, und natürlich lernt man dabei. Wie ich anders blocke, anders ins Eins-gegen-eins gehe, anders den Kreis verteidige. Vieles davon gilt es jetzt zu konservieren und im Verein einzubringen.

"Wir hoffen, dass die Saison zu Ende gespielt wird"

Am 6. Februar geht es mit dem HCE in der Liga weiter. Was sind die Ziele für den Rest der Saison?

Metzner: Erstmal müssen wir uns wieder integrieren, das ist wichtig. Wir hoffen, dass die Saison zu Ende gespielt wird und wollen in jeder Partie 120 Prozent geben. Und, da klopfe ich jetzt dreimal auf Holz: Natürlich wollen wir verletzungsfrei bleiben.

Elf Auswärtsspiele stehen in der Liga noch an, teilen Sie sich weiterhin ein Zimmer?

Firnhaber: Sehr gerne. Ich freue mich schon drauf.

Metzner: Ich auch. Wir hatten sehr viel Spaß auf dem Zimmer.

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