Testreihe aus FCN-Fans? So soll Fußball massentauglich werden

31.3.2020, 13:39 Uhr
Testreihe aus FCN-Fans? So soll Fußball massentauglich werden

Es ist fraglos kein leichtes Thema in einer schwierigen Zeit, die von Ängsten und Unsicherheiten in jeglicher Hinsicht dominiert wird. Sörgel weiß das, und doch drängt es ihn mit seiner Idee in die Öffentlichkeit. Der Wissenschaftler will erforschen, wie infektiös Großveranstaltungen wirklich sind und daraus ein Modell entwickeln, mit dessen Hilfe die Wahrscheinlichkeit vorherzusagen ist, wann die derzeit geltenden Einschränkungen gelockert werden können. An einen "Exit" denkt Sörgel dabei nicht, die getroffenen Maßnahmen sieht auch er als unbedingt nötig und alternativlos an. "Aber irgendwann muss es wieder weitergehen", betont der 69-Jährige auch.

Bis dahin will der Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) in Heroldsberg möglichst viele Daten sammeln. Es geht um handfeste Parameter, mit denen Forscher Aussagen treffen können, an die sich wiederum die ausführenden Verantwortlichen halten können. Im Klartext: Sörgel schlägt in seinem Beispiel vor, tausend Zuschauer aus der Gruppe der beim letzten Heimspiel des 1. FC Nürnberg anwesenden 27.000 Menschen für einen einfachen Bluttest zu gewinnen. Wer hat Antikörper auf das Virus gebildet, wie viele Infizierte gab es nach dem Spiel überhaupt?

Zu offensiv für die DFL?

Aus den Stichproben der eintausend Fans könnte ein verwertbares Ergebnis hochgerechnet werden. Eine gängige Vorgehensweise in der Wissenschaft, so wird nahezu jedes Medikament erprobt, ehe es anschließend offiziell freigegeben wird. Zur besseren Vergleichbarkeit müssten noch tausend Menschen, die nicht bei diesem Spiel anwesend waren, mit etwa den gleichen Parametern (Alter und Geschlecht) auf vorhandene Antikörper getestet werden. Mit diesen Ergebnissen würde eine Wahrscheinlichkeit der Ansteckung effektiv vorherzusagen sein, versichert der Heroldsberger Forscher.

Ein spannendes Thema, möglicherweise zu offensiv für die Verantwortlichen der Deutschen Fußball Liga, die heute auf einer neuerlichen Sondersitzung über mögliche Szenarien von einer Komplettabsage der Saison bis hin zu Lösungsvarianten diskutieren wollen. Dabei stützen sich die Vertreter der 36 Profiklubs auf das, was die Politik vorgibt. Etwas dünn findet Sörgel, der den eigenen Antrieb bei der DFL vermisst: "Es wäre schade, wenn die Liga diesen Ansatz nicht für überlegenswert hält."

"Fußball ein Ventil der Gesellschaft"

Mit der Kritik an "der Idee eines spinnerten Professors" kann Sörgel gut leben, sagt er. Ein halbes Dutzend Kollegen hat er bereits zu ihrer Meinung befragt, alle Wissenschaftler standen dem Ansatz des Forschers positiv gegenüber. Massenweise Tests wären nicht vonnöten, lediglich die den gängigen Diabetes-Untersuchungen ähnlichen Blutproben müssten genommen werden. "Medizinstudenten könnten das leisten", findet Sörgel, der ausdrücklich betont, seinen Fokus nicht darauf auszurichten, den "Milliardenbetrieb Profifußball als Voraussetzung für den Wahnsinn der Gehälter aufrecht zu erhalten".

Menschen, die ihre Jobs verlieren könnten, und Menschen, die womöglich in einigen Wochen der Beinahe-Ausgangssperre Konfliktpotenzial aufbauen – Sörgel verfolgt mit seiner Idee einen pragmatischen Ansatz. "Zu sagen, die gibt es derzeit ja nicht, ist reine Polemik", findet der 69-Jährige, für den der Fußball "ein Ventil" der Gesellschaft darstellt.

Allerdings drängt die Zeit. Jeder Tag, der verstreicht, wird die Ergebnisse wohl verfälschen. Shit in, shit out, nennt sich eine weltweit verbreitete Redewendung in der Forschung. Will heißen: Je verlässlicher die Daten, desto aussagekräftiger sind die daraus resultierenden Modelle. Da die letzten Spiele nun drei Wochen zurückliegen und nach der Inkubationszeit des Virus von zwei Wochen nun Antikörper bei Infizierten nachgewiesen werden können, wäre genau jetzt der richtige Zeitpunkt, rechnet Sörgel vor: "Im Mai ist es dann zu spät für Tests." Eine Lockerung der Einschränkungen ist dann nicht mehr zu erwarten.

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