Gefährliche Plauze?

Wie Bier die Gesundheit und das Körpergewicht beeinflusst

8.12.2023, 16:00 Uhr
Bier ist ein beliebtes Getränk, ein übermäßiger Konsum kann negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben.

© Laura Ludwig/dpa-tmn Bier ist ein beliebtes Getränk, ein übermäßiger Konsum kann negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben.

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Ein frisch Gezapftes zum Feierabend – herrlich! Der entspannte Teil des Tages darf beginnen. So denken viele Menschen in der Biernation Deutschland.

Die meisten wissen allerdings auch: Wer zu viel Gerstensaft trinkt, legt sich früher oder später beträchtliche Fettpolster in der Körpermitte zu - ein Bierbauch entsteht.

Doch lässt sich der allein aufs Trinkverhalten zurückführen? Und kann ich ihn wieder abtrainieren, ohne auf Bier zu verzichten?

Hier kommen die wichtigsten Fragen und Antworten:

Kugelförmig und eher straff ist er, der typische Bierbauch. Er wölbt sich über Gürtel und Hosenbund, zieht Hemd und Pullover glatt und macht das Bügeleisen fast überflüssig.

Dabei ist der Bierbauch ein eher männliches Phänomen.

Wo sich das Fett bevorzugt verteilt, darüber entscheiden die Gene. Aber auch die Geschlechtshormone spielten eine Rolle, sagt Prof. Matthias Blüher, Experte im Sonderforschungsbereich Mechanismen der Adipositas an der Universität Leipzig.

  • Bei Männern sammelt sich Fett meist am Oberkörper, man spricht daher vom "Apfel-Typ".
  • Bei Frauen sammelt sich Fett eher an Oberschenkeln und Po, weshalb man hier vom "Birnen-Typ" spricht.
  • Es gibt vereinzelt Ausnahmen, wo es andersherum ist.

Feststeht: "Männer trinken mehr als sechsmal so viel Bier wie Frauen", sagt Astrid Donalies, Ökotrophologin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn. In Zahlen:

  • Bei Männern sind es im Schnitt 299 Milliliter (ml) pro Tag.
  • Frauen kommen statistisch nur auf 47 ml täglich.
Bierkonsum trägt aufgrund von Kalorien und Alkohol zur Bauchfettbildung bei beiden Geschlechtern bei.

Bierkonsum trägt aufgrund von Kalorien und Alkohol zur Bauchfettbildung bei beiden Geschlechtern bei. © Angelika Warmuth/dpa/dpa-tmn

Im Volksmund wird die Plauze gerne als Wohlstands- oder Wohlfühlbauch bezeichnet. Mediziner diagnostizieren beim Bierbauch allerdings eine Ansammlung von zwei verschiedenen Arten von Fett:

  • Subkutanes Fett: Dabei handelt es sich um Fettgewebe direkt unter der Haut. Man nennt es daher auch Unterhautfettgewebe. Optisch bemerkbar macht es sich als "Speckpolster" oder "Schwimmring". Doch zu gesundheitlichen Problemen führt es kaum, sagt Prof. Matthias Schulze vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Nuthetal.
  • Viszerales Fett: In gesundheitlicher Hinsicht gilt es als das gefährlichere Bauchfett. Es entsteht im Bauchraum und umgibt Darm, Leber und andere Organe. Und nicht nur das: "Das Fett wird auch in Organen wie der Leber gespeichert", so Schulze.

Das Wort Bierbauch legt nahe: Wer Bier trinkt, dem wächst über kurz oder lang eine Plauze. Doch so einfach ist der Zusammenhang nicht.

Vielmehr geht Bierkonsum oft mit einem Lebensstil einher, der zu Übergewicht und insbesondere Fettablagerungen im Bauchraum führt, sagt Prof. Richard Raedsch vom Berufsverband Deutscher Internisten.

Alkohol - oder eben Bier - regt den Appetit an. Vor allem die im Hopfen enthaltenen Bitterstoffe machen Kohldampf.

Bier kann hungrig machen, indem es den Blutzuckerspiegel senkt und den Appetit anregt.

Bier kann hungrig machen, indem es den Blutzuckerspiegel senkt und den Appetit anregt. © Laura Ludwig/dpa-tmn

Raedsch, der auch im Kuratorium des Verbands für Ernährung und Diätetik (VFED) sitzt, formuliert es so: "Der typische Mensch mit einem Bierbauch trinkt gerne Bier, isst aber auch sehr gerne."

Grundregel: Fett sammelt sich an, wenn Menschen mehr Kalorien aufnehmen, als sie verbrennen. Wer also viel isst und kalorienreiche Getränke wie Bier konsumiert, sich aber zugleich wenig bewegt, wird dick. Der Körperfettanteil steigt.

In der Natur sind solche Reserven durchaus vorgesehen und dienen dazu, Zeiten längeren Nahrungsmangels zu überstehen. Doch in der modernen westlichen Welt ist das kaum noch notwendig.

Schlussfolgerung: Das Bier selbst ist erst einmal unschuldig.

Zumindest ist der direkte Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und Bierkonsum aus wissenschaftlicher Perspektive nicht eindeutig belegt.

So kam eine europäische Studie mit 20 000 Teilnehmenden zu dem Schluss, dass eine Zunahme von viszeralem Bauchfett nicht in direktem Zusammenhang mit Bierkonsum steht. Federführend war das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE).

Bei der Gewichtszunahme spielten demnach auch andere Faktoren wie der erwähnte Lebensstil oder das Trinkmuster eine Rolle.

Eine Gewichtszunahme besonders in der Bauchregion scheine "nur mit dem Genuss größerer Biermengen einherzugehen", heißt es in der Studie. Männer, die mehr als einen Liter Bier pro Tag tranken, neigten zu einer größeren Waist-to-Hip-Ratio als moderate Biertrinker - weil sie mehr Kalorien zu sich nahmen.

Ernährungsexperte Matthias Schulze sagt: "Wenn man mehr als einen halben Liter Bier am Tag trinkt, beobachtet man in Langzeitstudien einen Gewichtsanstieg." Das lasse sich zumindest grob so sagen. "Vor allem Männer tendieren dann zum Übergewicht im Bauchbereich."

Nicht zuletzt spielt auch die Biersorte eine Rolle.

Gut zu wissen: Schnaps und Wein enthalten noch mehr Kalorien als Bier. Doch diese Getränke werden in kleineren Mengen konsumiert. Bier wird dagegen oft literweise getrunken.

Wer vom gepflegten Bierbauch spricht, verkennt womöglich: Die Plauze kann gefährlich werden. Vor allem das viszerale Bauchfett hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit.

"Das ist ein aktives Gewebe, es sendet Stoffe aus, die unter anderem entzündungsfördernd wirken", sagt Matthias Schulze. "Es beeinflusst zum Beispiel den Leberstoffwechsel stark." Weil die Botenstoffe in die Blutbahn gelangen, erreichen sie auch andere Körperstellen.

Das viszerale Fett begünstigt dem Ernährungsexperten zufolge:

  • Schäden an Blutgefäßen, etwa Arteriosklerose
  • eine Fettleber und in der Folge eine Insulin-Resistenz und damit Typ-2 Diabetes
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zum Beispiel ein gesteigertes Herzinfarktrisiko
  • verschiedene Krebsarten, zum Beispiel Dickdarmkrebs

Zugleich setzt viszerales Fett einen Teufelskreis in Gang. Es unterdrückt Hormon-Botschaften an das Gehirn, die den Kohldampf regulieren. "Man isst mehr und die Fettablagerung nimmt weiter zu", sagt Richard Raedsch vom Berufsverband der Internisten.

Ein Spruch besagt: "Hopfen und Malz, Gott erhalt's!"

Die Wissenschaft ist anderer Meinung: Man könne kein alkoholisches Getränk als gesund einstufen, sagt Matthias Schulze. "Allein, weil Alkohol krebsfördernd ist. Da ist die Datenlage eindeutig."

Ein verantwortungsvoller und maßvoller Konsum von Alkohol, ist wichtig, um die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit zu vermeiden.

Ein verantwortungsvoller und maßvoller Konsum von Alkohol, ist wichtig, um die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit zu vermeiden. © Laura Ludwig/dpa-tmn

Als gerade noch akzeptable Menge Alkohol nennt die DGE 10 Gramm pro Tag für gesunde Frauen und 20 Gramm pro Tag für gesunde Männer.

20 Gramm entsprechen:

  • 0,5 Liter Bier
  • 0,25 Liter Wein
  • 0,06 Liter Weinbrand

"Die Angaben sind als Richtwerte zu verstehen und keine Empfehlungen zum regelmäßigen Alkoholkonsum", sagt DGE-Referentin Donalies.

Außerdem gibt es Forschungsergebnisse, die nahelegen, dass Menschen unter 40 generell fast gar keinen Alkohol trinken sollten.

Ein internationales Forscherteam kam 2022 zu dem Schluss: Jüngere Frauen sollten höchstens zwei Esslöffel Wein oder 100 Milliliter Bier pro Tag trinken. Und jüngere Männer höchstens ein Schnapsglas (40 ml) mit Bier oder zwei Teelöffel Wein. Also praktisch nichts.

Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "The Lancet" veröffentlicht. Sie widersprechen der Annahme, dass moderater Alkoholkonsum in geringen Mengen nicht schädlich sei.

"Unsere Botschaft ist einfach: Junge Leute sollten nicht trinken", sagte Emmanuela Gakidou von der University of Washington, Co-Autorin der Studie, zur Veröffentlichung der Ergebnisse.

Hier liegt der Fall anders.

Weil maximal 0,5 Volumenprozent Alkohol enthalten sind, fällt dessen gesundheitsschädliche Wirkung weitgehend weg. Alkoholfreies Bier enthält außerdem weniger Kalorien als normales Bier.

Und im Alkoholfreien sind wie im gewöhnlichen Bier auch viele Mineralien enthalten, die gut für den Körper sind.

Allerdings ist auch alkoholfreies Bier nicht gänzlich unbedenklich. "Alkohol hat auch in geringen Mengen eine ungünstige Wirkung auf die Aufnahme von zahlreichen Nährstoffen im Darm", sagt Donalies. Besser wäre ein komplett alkoholfreies, mineralienhaltiges Getränk.

Auch für Menschen, die abnehmen wollen, ist es kaum ratsam, dauerhaft auf alkoholfreies Bier umzustellen.

Der Grund: Es ist zwar kalorienärmer, der Energiegehalt gegenüber reinen Durstlöschern wie Wasser aber immer noch recht hoch. "Zum Beispiel zwei alkoholfreie Weizenbiere am Tag wären in Sachen Abnehmen eher kontraproduktiv", sagt die Ökotrophologin.

Zwar wurde die Plauze von jungen Vätern zwischenzeitlich unter dem Hashtag #dadbod in sozialen Medien gehypt. Trotzdem dürften viele Betroffene ihren Bierbauch gerne wieder loswerden wollen.

Die Gewichtszunahme auf der Waage ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass übermäßiger Bierkonsum negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann.

Die Gewichtszunahme auf der Waage ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass übermäßiger Bierkonsum negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. © Lino Mirgeler/dpa/dpa-tmn

Aber wie geht das?

Eine Fettabsaugung ist jedenfalls keine schnelle Lösung. Diese Operation funktioniert Experten zufolge bei viszeralem Fett nicht. Nur subkutanes Fett kann abgesaugt werden.

Es hilft alles nichts: Der Lebensstil muss sich ändern.

Damit ist nicht striktes Hungern gemeint - denn das lässt vor allem das subkutane Fett schmelzen. Gegen die gefährlichere Variante hilft die Umstellung auf mediterrane Kost.

Folgende Lebensmittel kommen dabei auf den Teller:

  • frisches Gemüse wie Fenchel, Tomaten und Paprika, deren sekundäre Pflanzenstoffe und Vitamine das Herz und die Gefäße schützen
  • frisches Obst wie Äpfel, Birnen und Himbeeren, die den Blutzuckerspiegel nur langsam ansteigen lassen
  • Getreideprodukte aus Vollkorn mit vielen Ballaststoffen, die lange satt machen
  • Hülsenfrüchte wie Bohnen, Linsen und Kichererbsen, die Ballaststoffe, Vitamine und Eiweiß enthalten
  • Nüsse und Samen mit ungesättigten Fettsäuren und B-Vitaminen
  • frische Kräuter wie Basilikum, Salbei, Rosmarin und Thymian als Geschmacksträger, um die Salzmenge zu reduzieren
  • ein- bis zweimal pro Woche Fisch, etwa Makrele oder Heilbutt, die viele herzschützende Omega-3-Fettsäuren enthalten
  • hochwertiges kaltgepresstes Olivenöl, das dank einfach gesättigter Fettsäuren die Blutfettwerte senkt

Auf diese Lebensmittel sollten Plauzenträger verzichten:

  • rotes Fleisch von Rind und Schwein, da oft sehr fetthaltig
  • Wurstwaren, die ungesunde gesättigte Fette enthalten, die sich ungünstig auf die Blutfette auswirken

Im Kampf gegen das böse Fett hilft auch Bewegung weiter.

Internist Raedsch empfiehlt, sich mindestens dreimal pro Woche sportlich zu betätigen, etwa beim Schwimmen oder Walken. Schon ein regelmäßiger Mittagsspaziergang ist hilfreich.

Sit-ups bringen übrigens nichts. Sie straffen zwar die Bauchmuskeln, helfen aber nicht gegen das viszerale Bauchfett.

Nein. Wer sich ausgewogen ernährt und ausreichend bewegt, kann durchaus hin und wieder gepflegt ein Bierchen trinken.

"Wenn es in der Gesamtbilanz gelingt, dem Körper weniger Energie zuzuführen als zu verbrauchen, spricht nichts dagegen", sagt Donalies. Den Bierbauch loszuwerden, sei aber einfacher, wenn man komplett auf Bier und alkoholische Getränke verzichte.

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