Verbraucherpreise ziehen an

Droht uns eine Inflation? Das sagt der Experte von Blackrock

5.7.2021, 05:55 Uhr
Steigende Preise lassen sich derzeit etwa an der Tankstelle beobachten. 

© Christoph Hardt, imago/Future Image Steigende Preise lassen sich derzeit etwa an der Tankstelle beobachten. 

Herr Lück, was hat die Kurse im ersten Halbjahr getrieben? Der Impffortschritt, die sinkenden Corona-Zahlen?

Mit der schnellen Verfügbarkeit von Impfstoffen und dem starken fiskalischen Stimulus haben sich die Möglichkeiten eines wirtschaftlichen Neustarts schon am Jahresanfang abgezeichnet. Das sprach und spricht weiter für eine dynamische Erholung der Unternehmensgewinne, entsprechende Erwartungen wurden über die erste Jahreshälfte zu einem guten Teil in den Kursen eingepreist. Bemerkenswert ist dabei, dass negative Nachrichten bezüglich der Pandemie, etwa das Auftauchen von Virusvarianten oder ein vorübergehendes Zurückgehen in den Lockdown, die positiven Erwartungen nicht maßgeblich beeinflusst haben.

Welche Sektoren würden Sie Anlegern empfehlen?

Mit Blick auf die Performance etwa der nächsten zwölf Monate sehen zyklische Sektoren, also etwa europäische Industrie- und Finanzunternehmen, attraktiv aus. Längerfristig bleiben Technologie- oder generell Qualitätsunternehmen unsere Favoriten. Dazu ist zu berücksichtigen, dass klimaneutrale Anlagen zunehmend im Fokus des Interesses stehen, was sowohl den Erzeugern klimafreundlicher Energien und deren Zulieferern zugutekommt als auch solchen Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle auf nachhaltiges Wirtschaften umstellen.

ESG - also Umwelt, Soziales und Gute Unternehmensführung - spielen eine immer wichtigere Rolle in der Gesellschaft, in der Wirtschaft und auch am Kapitalmarkt. Sollten Anlegerinnen und Anleger verstärkt auf „saubere“ Unternehmen setzen?

Ja. Inzwischen ist breit akzeptiert, dass Klimarisiken auch Anlagerisiken sind, etwa weil klimaschädlich agierende Unternehmen stärkerer Regulierung oder höheren Kosten, etwa durch CO2-Bepreisung, ausgesetzt sind. Darüber hinaus setzt sich immer mehr die Überzeugung durch, dass die Bekämpfung des Klimawandels auch enorme Investitionsmöglichkeiten bietet. Für Privatanleger können zum Beispiel Investitionen in grüne Technologie Chancen auf Wertzuwächse eröffnen.

Wie lange werden die Zinsen noch im Keller bleiben? Von der US-Notenbank Fed gibt es vorsichtige Signale für eine Änderung der lockeren Geldpolitik.

Es dürfte noch lange dauern, bis die Europäische Zentralbank die Zinsen anhebt. Zunächst dürfte sie im Spätsommer ein Ende der pandemiebedingten Anleihekäufe, also des Sonderprogramms PEPP, zum März 2022 in Aussicht stellen. Mit einer Zinserhöhung rechne ich nicht vor dem ersten Schritt der amerikanischen Notenbank Fed, also im Jahr 2023. Generell dürften sehr lockere Finanzierungsbedingungen noch lange gewährleistet und die Zinsen niedrig bleiben, um den wirtschaftlichen Neustart nach der Covid-Krise nicht zu gefährden.

Ein wichtiges Thema in diesen Wochen ist die anziehende Inflation. Die Bundesbank befürchtet hierzulande zeitweise einen Anstieg auf bis zu vier Prozent. Müssen sich Verbraucher und Unternehmen dauerhaft Sorgen machen?

Eher nicht. Der gegenwärtige Inflationsanstieg hierzulande ist in erster Linie durch Einmaleffekte - etwa den rekordniedrigen Ölpreis vor gut einem Jahr - und den wirtschaftlichen Neustart nach Ende des Lockdowns zu erklären und damit wohl vorübergehend. Signale dafür, dass uns eine Lohn-Preis-Spirale und damit dauerhaft höhere Inflation ins Haus steht, kann ich derzeit nicht erkennen. Bundesbank und EZB tun gut daran, hier ganz entspannt zu bleiben.

Zum Schluss: Wo sehen Sie den Dax am Jahresende?

Der Ausblick für Aktien bleibt positiv, ich erwarte aber geringere Kurszuwächse bis Jahresende als im bisherigen Jahresverlauf. Der Treiber dürften weiter steigende Unternehmensgewinne sein, während auf der Risikoseite die Gefahr von Rücksetzern zunimmt. Insgesamt dürfte die Volatilität in der zweiten Jahreshälfte eher höher sein als im bisherigen Jahresverlauf. Die Kurse dürften also stärker schwanken.

Zur Person: Martin Lück arbeitet für den Vermögensverwalter Blackrock. Er ist Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa. Davor war der promovierte Volkswirt unter anderem beim Deutschland-Ableger der Schweizer Großbank UBS tätig.

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