Katzen würden Freiheit wählen: Spannende Tier-Doku "Kedi"

10.8.2017, 10:43 Uhr
Katzen würden Freiheit wählen: Spannende Tier-Doku

© Weltkino Filmverleih

Die Doku-Idee ist so schlicht wie genial: Die Kamera folgt sieben verschiedenen Straßenkatzen in ihrem Biotop Istanbul. Ausgedacht hat sich dieses Konzept die in Istanbul geborene und in den USA lebende Regisseurin Ceyda Torun.Frau Torun, kennen Sie nicht die Warnung von W.C. Fields, wonach man niemals mit Kindern oder Tieren drehen sollte?

Ceyda Torun: Die Warnung ist mir natürlich bekannt. Allerdings haben wir ja keinen Spielfilm gedreht, in denen die Katzen etwas nach unseren Anweisungen machen sollten, sondern es handelt sich um eine Dokumentation über Tiere. Das ist eine ganz andere Art des Arbeitens.

 

Wie viel Katzenminze haben Sie benötigt, um Ihre Protagonisten vor die Kamera zu bekommen?

Torun: Gar keine. Wir hatten von Anfang an ein klares Konzept, wie wir den Katzen begegnen. Wenn sie weglaufen, haben wir gar nicht erst versucht, sie zu filmen. Wir haben nach Katzen gesucht, die keine Scheu vor der Kamera haben und sich bei uns wohl fühlten. Unsere Probleme bestanden eher darin, dass die Katzen gerne versuchten, sich auf meinen Schoß zu setzen. Dass sie ihren Kopf an der Kamera gerieben haben. Oder einfach sehr lange nur da saßen und sich ableckten.

 

Wie bekamen Sie dann Action?

Torun: Zum unserem Glück sind Straßenkatzen ständig aktiv. Zudem sind es Tiere, deren Tagesabläufe meist einer Routine folgen. Viele Dinge wiederholen sich bei ihnen, darauf kann man setzen.

Katzen würden Freiheit wählen: Spannende Tier-Doku

© Weltkino Filmverleih

Die Katzen in Ihrem Film tragen Namen wie "Psikopat", "Gentleman" oder "Schmetterling"? Stammen die von den Bewohnern oder sind das Ihre Erfindungen?

Torun: Unser Verleih in Amerika wollte, dass wir den Katzen diesen Spitznamen geben. Die türkischen Namen, mit denen die Katzen von den Bewohnern gerufen werden, hätten einfach zu fremdartig und verwirrend geklungen. Die einzige Katze ohne Namen ist jene, die als Rattenfängerin im Fischlokal zu erleben ist.

 

Es fällt auf, dass Sie den Menschen in Ihrem Film keine Namen geben. Soll das die Priorität darstellen?

Torun: Absolut (lacht). Es ging uns nicht darum, wer diese Menschen sind, sondern vielmehr, wie ihr Verhältnis zu den Katzen aussieht. Wobei einige der Interview-Partner bekannte Journalisten, Philosophen oder Künstler sind, die viele türkische Zuschauer sofort erkennen.

 

Haben Sie eine Theorie, weshalb Katzen-Videos im Internet so extrem populär sind?

Torun: Zunächst entsprechen diese kurzen Clips im Internet unseren aktuellen Sehgewohnheiten: Niemand hat Zeit, sich lange Dinge anzuschauen. Hinzukommt, dass jeder weiß, dass sich Katzen im Unterschied zu Hunden nicht manipulieren oder dressieren lassen, sondern völlig unabhängig sind. Dann haben Katzen dieses niedliche Gesicht mit kleinen Nasen und eindrucksvollen Augen, was die meisten Menschen ausgesprochen attraktiv finden. Last not least geht von diesen Tiere keine Bedrohung für uns aus, weil sie ziemlich klein sind.

 

Sie verstehen Ihren Film auch als Liebesbrief an Ihre Geburtsstadt Istanbul. Wollten Sie eine Alternative bieten zu den James Bond- und Jason Bourne-Bildern der Bazare?

Torun: Ich liebe die großen internationalen Filme, die in Istanbul gedreht werden. Aber die zeigen eben immer nur dieselben Bilder, einmal abgesehen von Fatih Akin mit seiner Musik-Doku "Crossing the Bridge". Selbst Touristen, die für drei Tage nach Istanbul kommen, besuchen alle stets dieselben Orte. Deswegen war mir wichtig, einmal ein ganz anderes, authentisches Bild dieser Stadt zu präsentieren. Ich wollte Istanbul so zeigen, wie meine Familie und Freunde es lieben. Unser Fischlokal im Film würde ich jedem Besucher empfehlen - das ist tatsächlich ein Lieblingsrestaurant von mir.

 

Die Lage in der Türkei hat sich seit Ihren Dreharbeiten drastisch verändert. Könnten Sie diesen Film heute noch so machen?

Torun: Ich glaube, heute hätten wir größere Probleme, uns mit der Kamera frei zu bewegen und Drehgenehmigungen zu bekommen. Als wir den Film machten, lagen die Gezi-Park-Demonstrationen gerade ein Jahr zurück. Heute ist die Stimmung der Menschen eine andere.

Just in jener Szene, als sich die rötliche Katze mit dem schwarz-weißen Rivalen einen heftigen Revierkampf liefert, sieht man im Hintergrund deutlich das Graffiti "Erdo-Gone" ...

Torun: Solche Graffitis waren nach den Gezi-Park-Protesten überall zu sehen. Zur Zeit unserer Dreharbeiten gehörte das zum Straßenbild von Istanbul, das wollte ich nicht ignorieren. Gleichwohl ging es mir nicht darum, einen politischen Film zu machen. Ich wollte, dass "Kedi — Von Katzen und Menschen" eine zeitlose Dokumentation jenseits der aktuellen Politik wird. Wenn man sich den Film in 30 Jahren anschaut, sollen die Zuschauer eine Seite von Istanbul erleben, die sie in üblichen Archivbildern nicht sehen.

 

Sie haben 19 Katzen-Geschichten gedreht, nur sieben davon sind im Film gelandet. Wird der Rest nach dem großen Erfolg demnächst in einer Fortsetzung folgen?

Torun: Leider nicht, dafür waren sie nicht substanziell genug. Aber immerhin zwei der Geschichten werden in der DVD erscheinen. Und weiteres Material wird auf unserer Internet-Seite Verwendung finden.

 

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