Der Beginn einer berühmten Lovestory

15.9.2016, 09:17 Uhr
Der Beginn einer berühmten Lovestory

© Foto: Capelight

Michelle Robinson (Tika Sumpter) beharrt darauf: Diese Verabredung an einem Sommertag 1989 in Chicago ist kein Date, sondern ein Arbeitstreffen. Er sieht das anders, verhehlt sein Interesse an der jungen, attraktiven Anwältin nicht. Doch die hat gute Gründe, dem Hospitanten, dem sie von ihrer Kanzlei als Betreuerin zugeteilt wurde, mit entschiedener Professionalität zu begegnen. Als Frau und als Schwarze muss sie sich doppelt bewähren, um in ihrem von weißen Männern dominierten Umfeld Anerkennung zu finden. Eine Affäre mit einem Kollegen ist da ausgeschlossen, wie Michelle dem lässig-charmanten Barack (Parker Sawyers) nachdrücklich und auch nachvollziehbar erklärt.

Das Katz- und Mausspiel währt bis zum finalen Kuss, zu dem es am Ende natürlich doch kommt. Doch Richard Tanne füllt die dazwischen liegenden knappen 90 Minuten mit dem klugen Diskurs zweier Menschen, die die Werte des demokratischen Amerika nicht nur an der äußeren Realität mit ihren fortwährenden Diskriminierungen überprüfen, sondern auch an ihrem eigenen Verhalten.

Die verantwortungsbewusste Michelle, die noch bei ihren Eltern wohnt, weil der Vater an MS erkrankt ist und die Familie ihre Hilfe braucht, wird anfangs durchaus zur stärkeren Figur. Zwar kann Barack die Widerstrebende zu einem Ausstellungsbesuch der afro-amerikanischen Künstlerikone Ernie Barnes (dessen Bilder auch den Abspann illustrieren) und zu einem kleinen Picknick im Park überreden, bevor sie ein Meeting der schwarzen Community besuchen - der vorgebliche Anlass ihres "Arbeitstreffens". Doch Michelle bohrt hartnäckig nach, als sie Barack nach seinem Leben befragt. Als er ihr von seinem toten Vater erzählt, ein Trinker, der nichts zu Ende gebracht hat und dessen Leben er als "unvollständig" verurteilt, ermahnt sie ihn: Er müsse seinem Vater verzeihen, nur dann könne er seinen eigenen Weg gehen.

Zwei junge, aber lebenskluge Menschen lernen sich hier kennen, das zeigt der Film auf sehr sympathische Weise mit feinen komischen Momenten. Beide wollen die Welt zu einem besseren Ort machen - und beide denken dabei nicht an politische Demonstrationen und Parolen. Vielmehr geht es ihnen um die Besinnung auf die traditionellen Werte, die für sie keine leeren Floskeln sind.

Zum Treffen der schwarzen Gemeinde, die für ein eigenes Versammlungshaus kämpft, das der weiße Stadtrat bislang vereitelt, ist Barack als Redner eingeladen. Und Regisseur Tanne nutzt diese Sequenz genial, um seinen Hauptdarsteller fast wie den echten Obama zu inszenieren - mit seinem Charisma, seiner großen intellektuellen Stärke und der Fähigkeit, die Wut der Menschen in Hoffnung und den Glauben an die eigene Handlungsmacht umzuwandeln.

"My First Lady" beginnt wie eine romantische Komödie und wird - auf ganz unaufdringliche Weise - zu einem Lehrstück, das an die Verantwortung jedes Einzelnen und die Notwendigkeit menschlichen Zusammenhalts erinnert. (USA/84 Min.)

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