Söder fordert nach Wahl in MV einen Kurswechsel in Berlin

5.9.2016, 18:20 Uhr
Nennt das Wahlergebnis einen Weckruf: Markus Söder.

Nennt das Wahlergebnis einen Weckruf: Markus Söder.

In den vergangenen Tagen hörte man aus der CSU recht wenig zu dem Thema, an dem die Partei sich seit nun schon einem Jahr abarbeitet: die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bemerkenswert ist das auch, weil sich in der vergangenen Woche das jährte, was CSU-Chef Horst Seehofer immer wieder "einen Fehler, der uns noch lange beschäftigen wird" nannte: Die Öffnung der Grenze zu Ungarn und dem darauffolgenden Zustrom Hunderttausender Asylbewerber nach Deutschland.

Mit diesem Jahrestag befassten sich alle Medien in Deutschland, bewerteten und analysierten ihn, doch Seehofer blieb seltsam still. Nur indirekt meldete er sich zum Thema und machte seine Distanz zu Angela Merkel deutlich: Man werde sich erst im Frühjahr über eine erneute Kanzlerkandidatur der CDU-Chefin beraten. Doch das Wort "Flüchtlinge" nahm Seehofer nicht in den Mund.

Taktisches Manöver von Seehofer

Diese Zurückhaltung kann als taktisches Manöver eingestuft werden: Schon längst hatten Meinungsforscher prognostiziert, dass die AfD die CDU als zweitstärkste Kraft in Mecklenburg-Vorpommern ablösen würde. Sollte dieses Szenario eintreten, so das CSU-Kalkül, könnten allzu Kanzlerinnen-kritische Töne aus Bayern als Sündenbock für die verlorene Wahl herangezogen werden. Also mäßigte man sich zumindest einige Tage lang.

Am Wahlabend dann wich diese Zurückhaltung sehr schnell. Generalsekretär und somit Seehofer-Sprachrohr Andreas Scheuer meldete sich bald nach den ersten Hochrechnungen über den Internet-Nachrichtendienst Twitter zu Wort: Alle Parteien müssten nun auf die "Politik der Vernunft einschwenken", forderte er. Und damit auch jeder versteht, welche das ist, schob er nach: "Die CSU gibt einen klaren Kurs vor."

Wenig später, in der traditionellen Berliner Runde der ARD, in der Vertreter aller Bundestagsfraktionen sitzen, legte Scheuer nach: "Wir sind immer für eine Obergrenze gewesen", sagte er. "Wir brauchen bessere Ordnung, Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung."

Auch Markus Söder, bayerischer Finanzminister und potenzieller Seehofer-Nachfolger, fand am Wahlabend deutliche Worte. "Das Ergebnis muss ein Weckruf sein", erklärte er gegenüber den Nürnberger Nachrichten. "Die Stimmung der Menschen lässt sich nicht mehr ignorieren. Es braucht einen Kurswechsel in Berlin."

Angst in der CSU

Söder war übrigens einer der wenigen Christsozialen, die bei dem Stillschweigen der vergangenen Tage ausgeschert waren. Im Spiegel forderte er die Abschiebung Hunderttausender Asylbewerber in den nächsten drei Jahren. Man könne all die Menschen aus einem völlig fremden Kulturkreis nicht integrieren.

Getrieben wird Söder von einer Angst, die er mit vielen anderen CSU-Granden teilt: Den Christsozialen könnte es bei der nächsten Wahl wie der CDU in Mecklenburg-Vorpommern ergehen, sagte er nach einem Bericht des Neuen Tags, "weil alle denken, wir stehen hinter der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin". Die CSU könnte dann, so die Befürchtung, ihre absolute Mehrheit im Freistaat verlieren.

Also betreiben Söder, Scheuer und Co. eine deutliche verbale Abgrenzung von Kanzlerin Merkel. Ob das hilft? Das ist die Frage. Denn bei den letzten Landtagswahlen verloren meist die Unionsvertreter besonders viele Stimmen, die genau das probiert hatten.

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