Raser sind auch weiterhin im Blindflug unterwegs

16.8.2012, 07:00 Uhr
Der Zweckverband Kommunale Verkehrsüberwachung blitzt auf verkehrsberuhigten Straßen und 30er Zonen im Großraum. Geschäftsführer Michael Müller hält nichts von einer Veröffentlichung der Radarfallen.

© Hagen Gerullis (Symbolfoto) Der Zweckverband Kommunale Verkehrsüberwachung blitzt auf verkehrsberuhigten Straßen und 30er Zonen im Großraum. Geschäftsführer Michael Müller hält nichts von einer Veröffentlichung der Radarfallen.

Ein Autofahrer aus dem Landkreis Fürth hat seine Meinung über eine Radarfalle der Polizei auf der Südwesttangente deutlich zum Ausdruck gebracht. Er zeigte der Linse seinen Mittelfinger. Pech für ihn, dass in diesem Moment ein Pkw neben ihm geblitzt wurde. Der Rüpel erschien mit auf dem Foto und hat nun eine Anzeige wegen Beleidigung am Hals.

Mit seiner Meinung über Geschwindigkeitsmessungen ist der Fahrer freilich nicht alleine. Viele Autofahrer halten Radarfallen und Laserpistolen für Abzocke. Zweck sei nicht, für mehr Verkehrssicherheit zu sorgen, stattdessen werde an den unmöglichsten Stellen geblitzt, um die Stadtsäckel aufzufüllen.

 

 

Millioneneinahmen für die Städte

Mehr als 2,8 Millionen Euro hat der Zweckverband Kommunale Verkehrsüberwachung im Großraum Nürnberg im vergangenen Jahr an die Städte Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach überwiesen. Er ist für die Überwachung des ruhenden (Strafzettel) und fließenden Verkehrs (Blitzer) in 30er-Zonen und verkehrsberuhigten Bereichen zuständig. Alle anderen Straßen liegen in der Verantwortung der Polizei. „Kein Kommentar“, heißt es dort.

„Blitzer stehen manchmal überhaupt nicht an Unfallschwerpunkten“, sagt Michael Herbst, Vorstand für Verkehr, Technik und Umwelt des ADAC Nordbayern. „Da entsteht der Eindruck, dass Kasse gemacht wird.“ Michael Müller, Geschäftsführer des Zweckverbandes, bleibt bei diesem Vorwurf gelassen. „Wirtschaftlichkeit und Verkehrssicherheit sind kein Widerspruch“, sagt Müller. Die Bußgelder entstünden schließlich dadurch, dass Raser erwischt werden. Überhaupt gebe es keine Unfallschwerpunkte mehr.

Veröffentlichung in NRW und Karlsruhe

Andernorts, beispielsweise in Nordrhein-Westfalen oder Karlsruhe, begegnet man den Abzocke-Vorwürfen mit Transparenz. „Geschwindigkeit ist Killer Nummer Eins“ lässt NRW–Innenminister Ralf Jäger (SPD) über einen Sprecher ausrichten. Sie entscheide über die Schwere eines Unfalls. Die Polizei misst dort öfter, im Gegenzug werden die Kontrollstellen veröffentlicht. „Allein die Ankündigung führt dazu, dass nicht mehr gerast wird“, so Jäger.

Karlsruhe veröffentlicht alle Blitzer mit Mess-Ergebnissen und begründet die Standortwahl. „Das kommt gut an“, sagt Stadtsprecherin Helga Riedel. Sie kann zwar nicht bestätigen, dass die Zahl der Geschwindigkeitsüberschreitungen deswegen zurückgegangen ist. Aber sie hat den Eindruck, die Verkehrsmoral sei gestiegen. Das liegt ihrer Meinung nach auch daran, dass die Bürger sich Blitzer wünschen können. Über 350 Anregungen gingen pro Jahr ein, ein Großteil davon werde umgesetzt.

Abzocke: übler Vorwurf

Michael Müller hält nichts von einer Veröffentlichung. Seine 16 Blitz-Mitarbeiter arbeiten sich durch von den Städten vorgegebene Listen. Oft wissen sie erst bei Schichtbeginn, wo sie heute stehen und selbst dann kann es durch die Parksituation oder Baustellen noch zu Änderungen kommen. „Das zu veröffentlichen wäre ein Riesenaufwand“, sagt Müller, „und bringt doch nichts für die Bürger.“ Wie bei den Blitzerwarnungen im Radio oder Internet würden die meisten Autofahrer vor allem auf den Nebenstraßen schnell die Blitzer-Standorte vergessen.

Auch im Rathaus hält man nichts davon, Radarfallen zu veröffentlichen. Jürgen Fischer (SPD) hält das ganze für „idiotisch“. Wenn Autofahrer wüssten, wo geblitzt werde, würden sie dort langsam fahren, andernorts aber nicht. Den Vorwurf der Abzocke hält er für übel: „Wie kann einer, der die Verkehrsregeln überschreitet, mit Abzocke argumentieren?“

Verkehrsregeln ausreichend transparent

Für seine Stadtratskollegin Christine Seer von den Grünen schaffen schon die klaren Spielregeln des Verkehrsrechts ausreichend Transparenz. „Verkehrsüberwachung verhilft schwächeren Verkehrsteilnehmern zu ihrem Recht.“

Sebastian Brehm (CSU) könnte sich dagegen vorstellen, die Blitzer zu veröffentlichen. Vorab müsse allerdings geprüft werden, ob dies tatsächlich der Verkehrssicherheit dient. So könnte man den Vorwurf der Abzocke entkräften. „Nur Zocker können abgezockt werden“, sagt Müller. Soll heißen: Wer zu schnell fährt, ist selbst schuld.

 

Kommentar: Blitzer-Karte? Ja, bitte!

49 Kommentare