80-Milliarden-Projekt

Angst vor der Mega-Jobmaschine: Chip-Konzern Intel sucht nach neuem Standort

13.12.2021, 14:24 Uhr
Der Chiphersteller Intel sucht nach einem neuen Standort. 

© Andrej Sokolow/dpa Der Chiphersteller Intel sucht nach einem neuen Standort. 

"Giga" ist eigentlich mehr als "Mega" und doch soll die vom Chip-Riesen Intel in Europa geplante "Mega-Fab" die "Giga-Factory" von Tesla in Grünheide bei Berlin locker in den Schatten stellen. Als ein möglicher Standort hat sich der ehemalige Fliegerhorst Penzing bei Landsberg am Lech auch mit Hilfe von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bis in die Endauswahl der Standorte vorgearbeitet. Doch vor Ort sind viele weniger beglückt als eher erschrocken vom 80-Milliarden-Projekt, das im Endausbau den Dimensionen einer kleinen Großstadt gleich käme.

Die bisher bekannten Zahlen der Investition des Konzerns sind wahrhaft atemberaubend. Zwischen den Gemeinden Penzing und der Kreisstadt Landsberg am Lech wollen die Amerikaner nicht nur das 270 Hektar große Gelände des ehemaligen Fliegerhorstes in Beschlag nehmen, sondern noch weitere 230 Hektar des umliegenden Ackerlands. Im Laufe der nächsten Jahre sollen auf dem Areal, das der Fläche von 700 Fußballfeldern entspricht, acht Halbleiter-Fertigungslinien mit jeweils 1.500 Mitarbeitern entstehen. Pro Fertigungslinie wird mit einem Investitionsbedarf von etwa zehn Milliarden US-Dollar gerechnet.

Das wenigstens sind die Zahlen, die der Bund Naturschutz (BN) in Bayern unter anderem aus einem Interview mit dem Intel-Vorstandsvorsitzenden Pat Gelsinger herausdestilliert hat. "Es spricht viel für Deutschland", hatte Gelsinger in dem Interview gesagt. Mit einer Gesamtfläche von 500 Hektar würde die Mega-Fabrik etwa 50 Kilometer westlich von München sowohl das Tesla Werk in Grünheide mit seinen 300 Hektar wie auch das BMW-Werk in Dingolfing - mit 280 Hektar Fläche bisher eine der größten Fabriken im Freistaat - in den Schatten stellen. Was Wirtschaftsförderern, Ansiedlungsmanagern und Stadtkämmerern das Wasser im Munde zusammen laufen lässt, erschreckt vor Ort nicht nur die Umwelt- und Naturschützer.

"Andere hätten es nötiger"

Denn wenn der oberbayerische Landkreis etwas derzeit nicht braucht, ist es die Schaffung Tausender neuer Arbeitsplätze. Mit einer Arbeitslosenquote von 2,4 Prozent herrsche im Landkreis Vollbeschäftigung, sagt Monika Nörr vom örtlichen BN. Die örtlichen Unternehmen suchten "händeringend nach Arbeitskräften." Es gebe in Deutschland und Europa sicher Regionen, die eine solche Jobmaschine nötiger hätten, meint der bayerische BN-Vorsitzende Richard Mergner.

Die vorzugsweise hoch qualifizierten Mitarbeiter einer Intel-Mega-Fabrik müssten von weit her, möglicherweise auch aus dem Ausland kommen, denn auch der Arbeitsmarkt des nahen München gibt zumindest zur Zeit kaum etwas her. Pro Intel-Beschäftigten entstünden weitere fünf bis zehn Jobs außerhalb der Fabrik, rechnet Nörr vor. Dazu kämen die Familienangehörigen. Macht zusammen einen Einwohnerzuwachs irgendwo zwischen 60.000 und 120.000, also eine kleine Großstadt. Dafür müssten Wohnraum, Schulen, Kindergärten, Straßen geschaffen werden. Die größte Gemeinde in der Region, nämlich Landsberg am Lech, zählt gerade einmal 28.400 Einwohner. Der Druck etwa auf den Arbeits- und Wohnungsmarkt wäre enorm.

Hoher Wasser- und Strombedarf

Das sind Dimensionen, die auch so manchen Bürger ohne große Affinität zu Umwelt und Natur erschauern lassen. Die Naturschützer halten den Standort Penzing zudem für "absolut ungeeignet" (Mergner), weil sie um wertvolles Ackerland sowie um die "Flachland-Mähwiesen" im Flugplatzbereich fürchten. Letztere stünden seit dem bayerischen Artenschutz-Volksbegehren vor zwei Jahren unter Schutz, hebt der Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Landsberg Peter Satzger hervor: "Eigentlich stehen sie für Ansiedlungen gar nicht zur Verfügung."

In die örtliche Kommunalpolitik setzt Satzger aber wenig Vertrauen. Nach Angaben des bayerischen Wirtschaftsministeriums haben die Gemeinden Landsberg und Penzing zugestimmt, "dass das Ministerium das Areal des Fliegerhorsts als Standort (...) vorschlägt. Beide Kommunen sähen in der Ansiedlung eine "Investition in zukunftsfähige Arbeitsplätze." Wenn ein Großinvestor mit hohen Gewerbesteuern winke, falle die "wankelmütige Politik" rasch um und kassiere frühere Planungen und hehre Absichten, meint denn auch BN-Kreisvorsitzender Satzger. Das habe man schon bei der Ansiedlung eines Großsägewerks im Landsberger Frauenwald erfahren müssen.

Nach Ansicht von Karin Krause vom Landsberger BN könnte durch die Mega-Fabrik von Intel ein schier unlösbares Wasserproblem entstehen. Wenn man die Werte anderer Chip-Fabriken heranziehe, müsse mit einem jährlichen Wasserverbrauch zwischen 30 und 36 Millionen Kubikmetern gerechnet werden. Das sei etwa die 15-fache Wassermenge, welche die Stadt Landsberg ihren Einwohnern bereitstellen müsse. Nur eine der acht geplanten Halbleiter-Fertigungslinien benötige außerdem jährlich etwa 300 Millionen Kilowattstunden Strom - angeblich etwa die Hälfte des Strombedarfs des gesamten Landkreises.

Widerstand angedroht

Für die Naturschützer ist daher klar: Penzing/Landsberg ist der falsche Standort für die Mega-Fabrik. Um den Chefs des US-Konzerns klar zu machen, dass sie vor Ort keineswegs nur mit offenen Armen empfangen würden, haben sie einen offenen Brief an die Intel-Chefs geschrieben, in denen die zahlreichen Nachteile des oberbayerischen Standorts aus ihrer Sicht aufgelistet werden. Im Falle des Zuschlags wird recht unverhohlen Widerstand in Aussicht gestellt: "Der Bund Naturschutz wird sich konsequent mit allen Möglichkeiten gegen eine Ansiedlung von Intel in der Region Landsberg einsetzen. Neben einer Online-Petition werden wir mit weiteren Aktionen Aufklärungsarbeit leisten."

Bis Ende des Jahres wollte Intel nach eigenen Angaben die Standortentscheidung treffen. Vielleicht geht der Jobsegen an Landsberg auch ohne Zutun der Umweltschützer vorbei. Gerüchteweise soll sich ein Areal nahe des Flughafens Dresden als Favorit herausgebildet haben.

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