Rückforderung nach BGH-Urteil

77-jährige Kundin: "Was die Sparkasse Erlangen macht, ist ein dicker Hund"

19.8.2021, 18:30 Uhr
Auch Kunden der Sparkasse Erlangen-Höchstadt-Herzogenaurach wollen nach dem BGH-Urteil Geld zurück. (Symbolfoto)

Auch Kunden der Sparkasse Erlangen-Höchstadt-Herzogenaurach wollen nach dem BGH-Urteil Geld zurück. (Symbolfoto)

Annette Fichtner ist 77 Jahre alt und seit 1973 Kundin der hiesigen Sparkasse. Eigentlich möchte die Erlangerin das auch bleiben, "ihre" Filiale in Sieglitzhof kann sie noch gut zu Fuß erreichen, außerdem kennt man sie dort persönlich seit Langem. Doch das jüngste Gebaren des Kreditinstituts ist ihrer Meinung nach alles andere als ein Zeichen von Service und Freundlichkeit.

Wie viele andere Bankkunden im ganzen Bundesgebiet hat auch die Seniorin das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom April 2021 mit großer Signalwirkung genau verfolgt. Damals hatten die Richter in einem Verfahren um die Deutsche-Bank-Tochter Postbank entschieden, dass die bisherige Gebührenerhöhungspraxis von Banken nicht rechtens ist.

Kunden müssen selbst aktiv werden

Laut BGH sind Änderungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam, wenn sie aufgrund einer stillschweigenden Zustimmung wirksam werden. Geldhäuser müssen Kunden daher nun im Nachhinein um Zustimmung zu den aktuellen Gebühren bitten. Zudem können Bankkunden Gebühren, die Kreditinstitute ohne explizite Einwilligung erhoben hatten, zurückfordern - nach Einschätzung von Stiftung Warentest rückwirkend bis zum 1. Januar 2018. Allerdings müssen Verbraucher dafür von sich aus aktiv werden.

Das hat Annette Fichtner vor einigen Wochen getan - allerdings ohne Erfolg. Nachdem die langjährige Kundin ihrer Bank, der Stadt- und Kreissparkasse Erlangen-Höchstadt-Herzogenaurach, Mitte Juli 2021 mitgeteilt hatte, dass sie einen Teil der laut BGH zu Unrecht eingezogenen Gebühren erstattet haben möchte, bekam sie einen vom Vorstandsstab eigenhändig unterzeichneten Brief.

In dem Schreiben, das diesem Medienhaus vorliegt, weist das Bankhaus ihre Forderung klar zurück. In dem Schreiben heißt es: "Wir glauben, dass unsere Leistungen zu jedem Zeitpunkt die Gegenleistung wert waren." Die Entgelte des Hauses seien "marktgerecht und im Marktvergleich eher günstig".

Zudem, so schreibt der Vorstandsstab weiter, könne man die verlangte Rückzahlung "nicht nachvollziehen". Es sei mindestens eine Angabe dazu erforderlich, auf welche Leistung sich etwaige Rückerstattungsansprüche stützen. "Wir bitten daher um Verständnis, dass wir keine Rückzahlung vornehmen können".

Es geht um rund 150 Euro

Der Betrag, so schätzt Annette Fichtner, dürfte so bei höchstens 150 Euro liegen, eigentlich ein "lächerlicher Betrag", sagt sie, "und gemessen an den regelmäßigen Erhöhungen der Bankgebühren eine Frechheit".

Eine genauere Summe wollte sie mit der Mitarbeiterin in ihrer Filiale besprechen, diese hatte bei Fichtners Besuch in der Geschäftsstelle auch zugesagt, entsprechende Recherchen zu übernehmen.

Doch dazu kam es erst gar nicht - denn dann lag bereits das Schreiben mit der abschlägigen Entscheidung des Vorstandsstabs in ihrem Briefkasten, inklusive eines Vordrucks, mit dessen Unterschrift die Kundin Preisen und Leistungen des Kreditinstituts zustimmt.

Falls Annette Fichtner, die Vollmacht nicht bis zum 25. August 2021 unterschrieben zurückschickt, könne, so der Vorstandsstab weiter, das Konto nicht fortgeführt werden. Auch andere Banken in anderen Städten drohten Kunden bereits bei Regressforderungen bereits mit Kündigung.

Für die Erlanger Seniorin ist die angedrohte Kündigung ein "dicker Hund", sagt sie, "vor allem dann, wenn man so lange bei der Sparkasse ist".

Resolute Bankkundin gibt nicht auf

So einfach aber will die resolute Frau nicht aufgeben. Ihre Replik hat sie daher an ganz oben gerichtet, nämlich an den Vorstandsvorsitzenden Johannes von Hebel. Auch an den Erlanger Oberbürgermeister Florian Janik hat sie sich in seiner Eigenschaft als Mitglied des des Verwaltungsrates gewandt und das Verhalten der Sparkasse als "absolut beschämend" bezeichnet. Die zwei Schreiben liegen den "Erlanger Nachrichten" ebenfalls vor - und von beiden Adressaten gibt es bisher keine Reaktion.

Annette Fichtner dürfte mit ihrem Warten nicht alleine sein. So hat sich eine weitere Person aus Erlangen ebenfalls in der gleichen Angelegenheit an dieses Medienhaus gewandt.

Peter M. (Name von der Redaktion geändert) möchte nach dem BGH-Urteil von der Sparkasse ebenfalls Bankgebühren zurückerstattet. Auch er erhielt auf seine Bitte nach Regress ein Schreiben des Vorstandsstabs mit einer Aufforderung, den erhobenen Preisen und Leistungen mittels Unterschrift zuzustimmen, andernfalls droht auch ihm die Kündigung.

Fälle sind fast identisch

Bis dahin sind beide Fälle identisch, allerdings hat sich das Bankhaus bei Peter M. zu einer "einfache(n) und schnelle(n) Lösung" entschieden und eine Rückerstattung von einem "ermittelten" Betrag von 55,45 Euro angeboten.

Doch woran liegt das? Ist das etwa abhängig vom jeweiligen Sachbearbeiter bzw. -bearbeiterin? "Natürlich gibt es ein klares und einheitliches Vorgehen", antwortet Thomas Pickel (Vorstandsstab und stellvertretendes Mitglied des Vorstands) auf Nachfrage.

Seit dem Urteil des BGH arbeite die Sparkasse daran, den Forderungen der Kundinnen und Kunden gerecht zu werden und bezifferbare und begründete Rückforderungen auszugleichen. Zu kundinnenindividuellen Sachverhalten könne man jedoch keine Stellung nehmen.

Auch zu Annette Fichtners Meinung, dass es sich bei dem Schreiben mit angedrohter Kontokündigung um "Erpressung" handelt, bezieht Pickel mit Blick auf "kundenindividuelle Sachverhalte" keine Stellung. Grundsätzlich gelte , dass begründete Ansprüche nur von Berechtigten geltend gemacht werden könnten. Die BGH-Entscheidung betreffe die Kundinnen und Kunden der Sparkasse Erlangen-Herzogenaurach-Höchstadt ohnehin "nicht direkt", da es zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Postbank ergangen sei. Über den Sachverhalt des Urteils habe die Sparkasse die Kunden zeitnah informiert und ähnliche Klauseln in den AGB gestrichen.

Nun gelte es, die Vereinbarung von Preisen neu zu regeln. Derzeit würden bei allen Institutsgruppen Lösungen erarbeitet, die der Rechtsprechung und gleichzeitig den Erwartungen der Kunden gerecht würden. "Wenn entsprechende Lösungen vorliegen, werden wir Kontakt zu unseren Kundinnen und Kunden aufnehmen, um rechtssichere Vereinbarungen zu treffen", sagt Pickel.

Dient das Urteil dem Verbraucherschutz?

Sehr fraglich ist für Pickel, ob die Folgen des Urteils dem Verbraucherschutz dienen. Er ist der Meinung, es sei auch bisher schon klar gewesen, welche Dienstleistungen mit welchen Preisen belegt seien. "Mündige Verbraucherinnen und Verbraucher waren bisher schon in der Lage und in der rechtlichen Position, ihre Ansprüche geltend zu machen und die für sie sinnvollen Vereinbarungen zu treffen", sagt er.

Die Kundinnen und Kunden schätzten das "umsichtige und am Gemeinwohl orientierte Geschäftsgebaren". Klar sei jedoch, dass die nur möglich sei, wenn die wirtschaftliche Grundlage der Sparkasse erhalten bleibe. "Dass uns mit Urteilen, wie zum AGB-Änderungsmechanismus, die Grundlagen für unser unternehmerisches Handeln entzogen werden, ist bemerkenswert", sagt Pickel, "bemerkenswert deshalb, weil gerade die aktuelle Struktur des Finanzwesens in Deutschland zu einem hohen Wettbewerb und damit zu einem verbraucherfreundlichen Verhalten führt."

Wie es indes mit Annette Fichtner weitergeht, ist bisher indes unklar. "Ich warte jetzt mal ab, wie die Bank und der OB reagieren", sagt die Seniorin, "die machen jetzt vielleicht auf Verzögerungstaktik und spielen auf Zeit, aber das lasse ich mir nicht gefallen".

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