Dreiteilige Reihe

Holocaust-Gedenktag: Einblick in Fürths jüdische Vergangenheit

Armin Leberzammer

1.2.2022, 16:00 Uhr
Holocaust-Gedenktag: Einblick in Fürths jüdische Vergangenheit

© Foto: Armin Leberzammer

Alleine am sogenannten "Schulhof" standen einst vier Synagogen. Heute erinnert dort das 1986 errichtete Denkmal inmitten des ehemaligen Gänsbergviertels an dieses einstige geistliche und soziale Zentrum der Stadt, aber auch an dessen Untergang. "Hier kamen die jüdischen Bürgerinnen und Bürger ebenso zusammen wie viele christlich Getaufte. Der Schulhof war ein zentraler Treff und Begegnungsort", so Rundgangsleiterin Bärbel Bachmann-Leitmeir. Die Führung war der letzte von drei "Gedenk-Bausteinen" zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus, die die Initiative "Echt Fürth", das Kinder- und Jugendzentrum Catch Up und das Fanprojekt Fürth organisiert hatten.

Was ist eine Duckerin?

Neben den Synagogen gab es hier, am Schulhof, bis zu seiner Zerstörung durch die Nationalsozialisten 1938 Rabbiner-Wohnungen, ein Schlachthaus und eine Mikwe. Letztere brachte als Ort rituellen Badens übrigens das Ehrenamt der Duckerin hervor. Galt es doch, den Körper eine gewisse Zeit komplett ins Wasser zu tauchen – was sich allerdings wegen des natürlichen Auftriebs in der Regel schwierig gestaltete. Die Duckerin, eine mindestens 40 Jahre alte, zur Verschwiegenheit verpflichtete Frau, half: Sie duckte – daher die Bezeichnung – die Badenden nach unten. Dass die Mikwe im Schulhof beileibe nicht die einzige in der Stadt war, zeigt beispielsweise der noch heute gebräuchliche Name der Weinstube "Duckla" in der Mühlstraße.

An der nächsten Station erinnert Bachmann-Leitmeir daran, dass die Fürther nicht nur hochdeutsche, sondern auch jüdische Begriffe in ihrer eigenen Mundart wiedergeben. Aus "Hekdesch", einer alten hebräischen Bezeichnung für Armen- oder Krankenhaus, wurde hier der "Juden-Heckisch". "Alte Fürtherinnen und Fürther werden das noch so kennen", sagt die Expertin.

Angesiedelt war dieses Spital direkt neben dem alten jüdischen Friedhof, der 1607 am Hang der Rednitz errichtet wurde – mit rund 6500 Grabsteinen und 20 000 Bestattungen ist er einer der größten seiner Art in Süddeutschland.

Spuren von NS-Herrschaft und Krieg sind indes auch hier kaum zu übersehen. Während gleich gegenüber dem Eingangstor eine große kahle Fläche ohne Grabsteine an eine detonierte Fliegerbombe erinnert, zeugen ein gutes Stück weiter Steine von einer Grabschändung.

Letzte Ruhe

Um Platz für einen Löschteich zu schaffen – "völlig überflüssig, schließlich floss die Rednitz ja in nächster Nähe", so Bachmann-Leitmeir – wurde gegen Ende des Kriegs eine ganze Reihe von Steinen und Gräbern weg- und aufgerissen. "Die Gebeine wurden einfach auf einen Haufen geschmissen – eine größere Schändung kann man sich gar nicht vorstellen", sagt die Stadtführerin.

Später sorgte die amerikanische Besatzungsmacht dafür, dass die verbliebenen sterblichen Überreste in einem Sammelgrab ihre letzte Ruhe fanden. Die Steine selbst wurden, so sie noch auffindbar und nicht längst zweckentfremdet waren, entgegen der jüdischen Tradition nach Westen ausgerichtet. Auf diese Weise bilden sie bis heute eine Stätte des stummen Gedenkens inmitten des historischen Friedhofs.