Corona und Schweinepest: Züchter gleich doppelt von Seuchen getroffen

8.1.2021, 05:59 Uhr
Mit im Durchschnitt 14 Ferkel pro Wurf kalkulieren Schweinezüchter wie Matthias Rutz. Vier Wochen bleiben die Kleinen im Mastbetrieb in Aha bei der Muttersau, dann werden sie separiert.

© Foto: Marianne Natalis Mit im Durchschnitt 14 Ferkel pro Wurf kalkulieren Schweinezüchter wie Matthias Rutz. Vier Wochen bleiben die Kleinen im Mastbetrieb in Aha bei der Muttersau, dann werden sie separiert.

Noch im Frühjahr war die Welt der Schweinezüchter in Deutschland in Ordnung. Mit Spitzenpreisen von bis zu 2 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht kamen die Landwirte auf ihre Kosten. Massenausbrüche von Covid-19 unter Schlachthofmitarbeitern – allen voran ist hier der Tönnies-Skandal in bester Erinnerung geblieben – machten die Öffentlichkeit nicht nur auf die schlechten Arbeitsbedingungen in diesen Betrieben aufmerksam, sondern ließen auch die Preise auf bis zu 1,40 Euro pro Kilogramm purzeln, erzählt Rutz im Gespräch mit dem Altmühl-Boten.

Weiter vorangetrieben wurde diese Abwärtsspirale im September. In Brandenburg war bei einem verendeten Wildschwein die afrikanische Schweinepest diagnostiziert worden. Daraufhin verhängte unter anderem China einen Importstopp für deutsches Schweinefleisch.

Preise sind im Keller

Befürchtet angesichts des Preisverfalls einen massiven Strukturwandel in seiner Branche: Schweinezüchter Matthias Rutz aus Aha.

Befürchtet angesichts des Preisverfalls einen massiven Strukturwandel in seiner Branche: Schweinezüchter Matthias Rutz aus Aha. © Foto: Marianne Natalis

Mittlerweile ist der Preis bei nur noch 1,19 Euro pro Kilogramm (Lebendgewicht sind es nur 93 Cent) angelangt, und auch der ist nicht garantiert. Manche Schlachthöfe, berichtet Rutz, machen hier noch weitere Abstriche von bis zu 2 Cent. Die Kosten für das Futter stiegen nach seinen Angaben im gleichen Zeitraum um 10 Prozent.

Wer in seinen Betrieb investieren oder auch nur die neuesten Verordnungen wie die Betäubungspflicht bei Kastrationen umsetzen will, der muss mit einem bestimmten Einkommen kalkulieren. Bisher seien er und seine Kollegen dabei von dem langjährigen Durchschnitt von 1,60 Euro pro Kilogramm ausgegangen. Rechnungen, die sich gerade pulverisieren.

Und die andauernde Pandemie verschärft die Situation weiter: "Wir wissen nicht, welcher Schlachthof nächste Woche zumacht", beschreibt Rutz die Lage anschaulich. Kommt es bei Mitarbeitern eines Schlachthofs zu einem Corona-Ausbruch, bedeutet das Ausfälle. Die fehlenden Kapazitäten haben einen gewaltigen Schweinestau zur Folge. Rund 850.000 Schweine – so der Stand Mitte Dezember – wurden nicht termingerecht geschlachtet.


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Das wirkt sich wiederum auch auf die Ställe aus. Dort müssen die Tiere länger verweilen, nehmen Platz weg, müssen gefüttert werden, legen Gewicht zu. Und das ist schlecht, denn sämtliche Schlachtanlagen sind auf Schweine von 115 bis 135 Kilogramm ausgerichtet. Wiegen die Borstentiere zu viel, dann gibt es wieder Abzüge von zwei bis drei Cent pro Kilogramm, ab einem Lebendgewicht von über 150 Kilogramm fällt der Preis sogar auf 55 Cent je Kilogramm.

Nur noch die Hälfte

Betroffen davon ist beispielsweise Roland Schlötterer aus Hirschbronn in der Gemeinde Sachsen bei Ansbach. Er verkauft seine Ferkel immer an denselben Mäster, doch der holt derzeit nur die Hälfte der Jungschweine ab.

So werden die üblicherweise mit rund 30 Kilogramm verkauften Ferkel bis 40 Kilo schwer und der Platz in den Buchten wird zu eng. "Das ist ein Drama, wenn man nicht weiß wohin mit den Tieren – wir können sie ja nicht in den Wald hinaus treiben", sagt die Mutter Anneliese Schlötterer.

Manche Berufskollegen haben wegen der Platznot Ferkel als Spanferkel an einen Händler aus Baden-Württemberg verkauft, obwohl sie dafür nur 30 bis 40 Cent pro Kilo bekommen, was einem Preis von 10 bis 12 Euro pro Ferkel entspricht, berichtet Schlötterer.

Sonst wird es eng

Auch Matthias Rutz züchtet vor allem Ferkel und verkauft sie an einen Mäster weiter, nur rund 25 Prozent zieht er selbst als Mastschweine groß. Wenn er die Tiere nicht rausbekommt, wird es eng im Stall. Sieben bis acht Monate dauert es von der Befruchtung der Muttersau bis zum Verkauf eines Ferkels – das sind Erzeugungszyklen, die nicht einfach mal eben schnell unterbrochen werden können.

Rutz hat allerdings noch Glück. Mit seinen rund 500 Muttersauen zählt er zu den mittelgroßen Familienbetrieben in Deutschland, in Mittelfranken liegt der Schnitt bei 148 Sauen. Die Mäster, die zu ihm kommen, müssen nicht mehrere Betriebe anfahren, um ihre Fuhre voll zu bekommen. Rutz hat heuer sogar noch zwei weitere Abnehmer dazugewonnen.


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Auf Dauer gesehen aber will sich Rutz vom Ferkelmarkt unabhängig machen. "Das war der Grundgedanke" bei der geplanten Erweiterung um einen Maststall, die Rutz seit zehn Jahren anstrebt. Nachdem sich das Verfahren ewig hingezogen hatte, wollte er heuer nun endlich mit dem Bau beginnen.

Schweinehaltung ist längst ein globales Geschäft. Jedes zweite Schwein steht heutzutage in China. Von dort kommen die Filets und Schinken zu uns, im Gegenzug war der asiatische Raum bis zum Ausbruch der Schweinepest ein verlässlicher Abnehmer für die Teile, die in Deutschland schon lange nicht mehr auf dem Teller landen: Die Ohren, der Rüssel, die Füße.

Teure Geräte

Seit Beginn des Jahres dürfen deutsche Schweinezüchter ihre Tiere nur noch unter Betäubung kastrieren. Das bedeutet einen erheblichen Aufwand, nicht nur musste Rutz sich das notwendige Wissen in einem Kurs aneignen und es in Prüfungen nachweisen, dazu gesellte sich noch allerlei Papierkram und nicht zuletzt Neuanschaffungen von notwendigen Geräten.

Die Kosten summieren sich auf rund 10.000 Euro. Und sie führen nach Rutz’ Worten zu einer weiteren Wettbewerbsverzerrung. Denn Labels wie QS (Qualität und Sicherheit) oder Tierwohl – die sich Rutz an die Stalltüre heften darf – sind daran geknüpft, dass auch dieser Standard eingehalten wird. Zumindest was deutsche Ferkelzüchter betrifft.

Nur 72 Prozent der in Deutschland benötigten Ferkel werden hier gezüchtet. Die vorhandene Lücke schließen Tiere aus den Niederlanden, Belgien und vor allem Dänemark. Auch in diesen Ländern werden die Tiere betäubt, aber mit einem unkomplizierteren Verfahren, so Rutz. Sie erhalten aber trotzdem die gängigen Labels, bemängelt der Ahaer Landwirt.

Anfang 2019 gab es in Deutschland rund 7000 ferkelerzeugende Betriebe. Das nun für die Kastration notwendige Gerät haben laut Rutz aber nur 2800 Betriebe erworben. Mit Blick auf weitere Reglementierungen, etwa zur Kastenstandhaltung und den Abferkelboxen, befürchtet Rutz einen massiven Strukturwandel in seiner Branche. Auf unter 50 Prozent werde die Ferkelversorgung in Deutschland sinken, so seine Prognose

Betroffen von der Krise sind derzeit vor allem die kleinen Schweinezüchter. Doch im Zusammenspiel mit dem Preisverfall weiß auch Rutz nicht, wie er künftig den Nachwuchs für seine Arbeit begeistern kann.

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