Neustart auf Neuwerk: Der Tschiller-"Tatort" im Check
4.1.2020, 14:34 Uhr
Um was geht's? Tschillers Seele ist schwer ramponiert. Neben traumatischen Erlebnissen muss der Kommissar nun auch noch beruflichen Ärger verdauen. Denn seine eigenwilligen Methoden haben ihm ein Disziplinarverfahren eingebrockt. Bevor es eröffnet wird, verbringt der Cop auf Wunsch seiner Tochter einige Zeit auf Neuwerk. Dort soll er Ruhe tanken und einer Pädagogin bei der Arbeit mit schwer erziehbaren Jugendlichen etwas unter die Arme greifen.
Was passiert dann? Während Tschiller (Til Schweiger) also auf der Insel versucht, sich selbst wieder ins Lot zu bringen, geht vor den Toren Hamburgs ein Gefangenentransport in ein Safehouse schief. Auf dem Weg zum Flughafen wird der Wagen von Tschillers Kollege Yalcin Gümer (Fahri Yardim) beschossen. Eddie Nix, einer der beiden Kronzeugen, stirbt. Zusammen mit dessen Bruder Tom (Ben Münchow) gelingt Gümer gerade noch so die Flucht.
Was sonst so passiert: Da nur ein enger Kreis über die streng geheime Aktion Bescheid wusste, vermutet Gümer einen Maulwurf bei der Polizei und traut daher niemandem mehr. Erst recht nicht Neu-Kollegin Robin Pien (Zoe Moore). Um Tom aus der Schusslinie zu nehmen, bittet er Tschiller, dem Jungen Unterschlupf zu gewähren. Zurück an Land versucht Gümer derweil herauszufinden, wer hinter dem Anschlag steckt und ist dabei zugleich einem schrecklichen Geheimnis auf der Spur.
Die Geschichte hinter der Geschichte: Nach fünf Folgen voller Action und der daraus gewonnenen Erkenntnis, dass die Zuschauer nicht bereit sind, den rüden Ermittlungswegen eines Nick Tschiller weiter zu folgen, beschloss der Sender, einen Neustart durchzuführen. Mit Regisseur Eoin Moore, Entwickler des "Polizeiruf 110" aus Rostock, Produzentin Iris Kiefer und Kameramann Michael McDonough ("Winter's Bone") hat man sich dazu frische Leute ins Boot geholt, um die Figur Tschiller neu auszuloten und darüber hinaus eine Geschichte um ihn herum zu entwickeln, die im Kontrast zu den bisherigen "Tatort"-Episoden mit Til Schweiger steht.
Die Beobachtung des Films: Kommissar Gümer hat es in "Tschill Out" nicht gerade leicht. Zum einen muss er mit der räumlichen Abwesenheit seines Buddies klarkommen und kann es sich daher nicht mehr wie gewohnt hinter Tschillers breitem Rücken gemütlich machen. Zum anderen sitzt ihm nun auf dem Revier eine neue blitzgescheite Ermittlerin gegenüber, die seinem machohaften Gehabe gekonnt Paroli bietet.
Die Feststellung des Films: Til Schweiger ist einer der erfolgreichsten deutschen Filmemacher. Seine Fähigkeiten als Schauspieler sind aber nach wie vor limitiert. Wenigstens sind sie besser als ihr Ruf. Denn immer dann, wenn er klare Handlungen ausführt und physisch agiert, wirkt Schweigers Kunst glaubwürdig und echt. An seine Grenzen stößt er hingegen weiterhin, wenn man von ihm verlangt, tiefgehende und komplexe Emotionen zu transportieren.
Die Randnotiz des Films: Die Insel Neuwerk liegt am Südwestrand der Außenelbe etwa 120 km nordwestlich von Hamburg. Auf dem zur Freien- und Hansestadt gehörendem Eiland in einem Naturschutzgebiet leben 40 Menschen und zigtausende Gänse.
Unser Fazit: Tschillers sechster Einsatz ist der mit Abstand beste Schweiger-"Tatort" und dank der tollen Aufnahmen von Michael McDonough ein sehenswerter obendrein. Die aus den Vorläufern allseits bekannte und langweilende Action weicht zum Glück einem sehr interessanten Drehbuch. Dadurch gewinnt man einen Blick auf einen angeschlagenen Ermittler, der so ein bisschen auf der Suche nach sich selbst ist. Macht Lust auf mehr. Zwei minus.
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