Statistin am Theater

Show must go on! "Moni" ist seit 1984 im Dauereinsatz

18.6.2021, 15:26 Uhr
Wie viel Leidenschaft ist noch übrig nach einer vierstündigen Beleuchtungsprobe? Recht viel, wenn es nach Monika Schrödel-Hecht geht: Sie liebt die Arbeit am Theater.  

© Annina Hessel Wie viel Leidenschaft ist noch übrig nach einer vierstündigen Beleuchtungsprobe? Recht viel, wenn es nach Monika Schrödel-Hecht geht: Sie liebt die Arbeit am Theater.  

Wie aus der Pistole geschossen kommt die Antwort auf die Frage, wann sie das Haus zum ersten Mal betreten hat: "1984". Mit Lorcas Bluthochzeit beginnt Monis Geschichte mit dem Staatstheater Nürnberg und ein wenig (echtes) Blut gehört tatsächlich auch dazu: bei einer "Nabucco"-Aufführung rollt sie als babylonische Statue aus einer großen, metallenen Box. Als sie dann in ihrer Sphinx-Pose am vorderen Bühnenrand liegt, merkt sie auf einmal, dass die Hand wehtut, aber hingucken geht nicht, sie darf ja den Kopf nicht bewegen.

Beim Abgang sieht sie, dass da ein großer Blutfleck auf der Bühne ist. Sie hat sich wahrscheinlich an einem Scharnier der Box die Hand aufgeschnitten. Erst in der Garderobe wird ihr schwarz vor Augen. Als sie wieder zu sich kommt, merkt sie, wie die Ankleidedamen ihr den Kopfschmuck abnehmen wollen. "Nein, nein, ich mach' natürlich weiter!" Moni wird also verarztet und geht zurück auf die Bühne. The Show must go on.

Keine Aufführung verpasst

2019 war Monika Schrödel-Hecht bei Verdis Bibeldrama "Nabucco" dabei.

2019 war Monika Schrödel-Hecht bei Verdis Bibeldrama "Nabucco" dabei. © privat

Ihre ersten 14 Jahre in Nürnberg ist sie vor allem als Statistin beim Schauspiel, damals sind Schauspiel- und Opernstatisterie strikt getrennt. Seit 1998 ist sie überwiegend auf der Opernbühne zu sehen, wegen der schönen Musik. Trotzdem kennt sie fast jedes Stück, das am Haus zu sehen ist. Das Ballett "Traum der Vernunft" fand sie so toll, dass sie sich jede Aufführung angesehen hat.

Klar, die meisten Menschen, die am Theater arbeiten, tun das nicht primär fürs Geld, sondern (auch) aus Leidenschaft. Aber wie viel Leidenschaft ist noch übrig nach einer vierstündigen Beleuchtungsprobe, bei der man vor allem rumsteht, während das Regieteam die verschiedenen Lichtstimmungen ausprobiert? - "Kann sich mal bitte jemand auf das grüne Sofa setzten?" Während die anderen Beleuchtungsstatisten noch halb in Gedanken versunken oder verschlafen in die Runde schauen, läuft Moni mit federndem Schritt auf das Sofa zu und platziert sich dort mit überschlagenen Beinen und dekorativ aufgestütztem Arm. Auf Monis Motivation kann man sich verlassen. "Wenn mich jemand fragt, komme ich." Ob als Statistin, Saaldienerin, Kinderbetreuerin, egal. Bei manchen Produktionen dauert der Applaus länger als ihr Auftritt. Na und? Moni kommt gerne.

Würde man am Staatstheater eine offizielle Stelle für Moni schaffen, was wäre wohl die passende Berufsbezeichnung? "Phantomiss of the Opera" schlägt Regieassistentin Marie Lüling vor. Auch "Bunter Hund", "gute Seele", "Soforthilfe" oder "Monifestation" werden von Theatermitarbeitern in den Raum geworfen.


Staatstheater hat große Pläne für die neue Saison und will die Pandemie vergessen machen


Die Anforderungen an den Job: Fundierte Kenntnisse zum aktuellen Spielplan, zu den laufenden Produktionen, den Ensembles (Schauspiel/Oper/Ballett) und anderen Mitgliedern des Hauses. Außerdem ständige Ereich- und Verfügbarkeit, die Bereitschaft, jede erdenkliche Art von Kostüm zu tragen und darin zu tun, was einem gesagt wird sowie maximal gute Laune bei der Arbeit.

Ein wandelnder Geldschein? Für Monika Schrödel-Hecht kein Thema!

Ein wandelnder Geldschein? Für Monika Schrödel-Hecht kein Thema! © privat

Bei ihrem ersten Auftritt auf der Opernbühne, "Anatevka", springt Moni kurz vor der Generalprobe als Double für eine Sängerin ein, die für einen geplanten Auftritt nicht schwindelfrei genug ist. In einem weißen Kleid, das dreimal so lang ist wie sie selbst, steht sie dabei auf einer meterhohen Stange. Währenddessen sorgt eine Windmaschine dafür, dass sich der Rock des Kleides schön aufbläht. Bei wie vielen Opern sie seitdem dabei war? Keine Ahnung. Viele! Die Rollen, die man als Statistin bekommt, sind natürlich sehr unterschiedlich, aber eine kommt doch besonders oft vor: die Prostituierte. Je nach Inszenierung hat man dabei mal mehr und mal weniger an, manchmal ändert sich die Länge der Stiefel oder des Rocks auch noch während des Probenprozesses.

Und auch, wenn man sich selbst manchmal in einem Kostüm nicht so gut gefällt, gilt: "Wenn man gesagt hat man macht's, dann macht man's auch." Wenn man auch bei der nächsten Produktion wieder dabei sein will, muss man zeigen, dass man verlässlich ist. Nur ein einziges Mal hat Moni einen Auftritt verpasst, aber das war noch vor ihrer Zeit in Nürnberg. Da sah der Sänger, mit dem sie hätte auftreten sollen, leider einfach zum Knutschen aus...


Staatstheater Nürnberg: Die Oper, die keiner sieht


In der Bildergalerie von Monis Handy befinden sich zahlreiche Fotos von ihr in diversen Kostümen und Outfits. Manchmal muss man dreimal hinschauen, um zu erkennen, dass es sich tatsächlich um Moni handelt. Auf dem einen hat sie blonde Zöpfe, auf dem nächsten eine schwarze Mähne. Das ist auch eins von "Il Trovatore", "Meine absolute Lieblingsrolle war das!" Zu sehen ist sie auf dem Foto als alte, grimmige Dame im roten Gewand.

Seit Corona ist auch für Moni etwas weniger zu tun am Staatstheater, wie so viele andere freut sie sich, wenn es am 9. Juni wieder losgeht mit den Vorstellungen. "Ich empfinde das, was ich hier tue, eigentlich nicht als Arbeit, sondern als Hobby. Gehste Tennis spielen, haste auch'n Hobby, aber da musste was zahlen. Hier kriegste noch was dafür!"

Verwandte Themen


Keine Kommentare