Theater: Ein Handy kann die Vorstellung zum Platzen bringen

17.2.2020, 14:20 Uhr
Im Theater gilt: Finger weg vom Handy! Nicht alle halten sich daran.

© Foto: Andrea Warnecke Im Theater gilt: Finger weg vom Handy! Nicht alle halten sich daran.

Wer sich öfter ins Parkett begibt, sollte selber wissen, dass ein plötzlich in der Mitte des Dramas bimmelndes Handy nicht nur die übrigen Zuschauer, sondern vor allem die Schauspieler oben auf der Bühne aus der Ruhe und in Rage bringt (von dem unsäglichen Drang, mit der kleinen klickenden Kamera mittendrin Fotos zu schießen oder gar zu filmen, einmal ganz zu schweigen).

Sendepause auf Zeit

Trotzdem verkündet in jedem Haus eine Off-Stimme vor jeder Vorstellung, dass es jetzt gleich los geht und man doch bitteschön seinen Apparat aus- oder stummstellen soll. Die Stimme ist meist freundlich, klingt aber auch ein bisschen nach Kindergartentante, die den Kleinen zum hundertsten Mal sagt, dass man sich vor dem Essen die Hände waschen muss.


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Und die Theater locken sogar noch mit einem anderen Erlebnis. Im Münchner Resi zum Beispiel wird den Zuschauern nicht nur eine tolle Premiere versprochen, als Bonus sozusagen gibt es sogar noch etwas dazu, wenn man sich entschließt, auf Empfangsbereitschaft zu verzichten: "Gönnen Sie sich für zwei Stunden den Luxus der Nichterreichbarkeit!" Das Theater als Zeitkapsel sozusagen: Man geht nicht mehr wegen Tschechow hinein, sondern weil man sich wegbeamen will aus der Welt, die dauernd irgendwas von einem will. Was auf der Bühne geschieht, ist eigentlich nebensächlich, Hauptsache keiner weiß, wo man sich gerade aufhält.

Vorstellung hängt am seidenen Faden

Dass ein nicht ausgeschaltetes Handy jedoch gleich eine ganze Inszenierung kippen kann, ist neu. So wurde in einem Haus letztens innigst darum gebeten, zumindest in den Flugmodus zu klicken, da sonst nicht garantiert werden kann, dass das Schauspiel wie geplant über die Bühne geht. Denn in das war so viel Elektronik gepackt worden, dass auch nur ein einziges funktionsbereites Telefon mit seinen kreuz und quer ausschweifenden Wellen den ganzen Ablauf kippen könnte.


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Möglich, dass das auch nur wieder so eine verzweifelte Alibi-Ansage war, damit auch der uneinsichtigste Zuschauer in Furcht davor versetzt wird, Schuld zu sein an einem technischen Chaos. Ähnlich der Warnung in Hotelzimmern etwa, wonach eine einzige brennende Zigarette schon einen Feuerwehreinsatz auslösen könnte, dessen Kosten in die Tausende gehen würde; dabei war weit und breit kein Rauchmelder zu sehen...

Aber im Theater dachte man bislang doch noch, dass das meiste analog vonstatten geht: Richtige Menschen sprechen mit eigener Stimme in einem Interieur, das handgearbeitet ist. Freilich, noch ein bisschen Licht dazu und wenn es sein muss, Mikroports an die Backen der Mimen geklebt, damit man sie auch in der letzten Reihe noch hört.

Technik hat das Theater im Griff

Doch längst ist das ganze Geschehen dort vorne, mutet es auch noch so live und lebendig an, gesteuert von Programmen, die in Computer eingespeist wurden. Technisch ausgeklügeltes Hell- und Dunkel-Design, Video-Installationen, die die Anwesenheit der Schauspieler obsolet machen, Maschinen-Ungetüme, die per Mausklick in Bewegung gesetzt werden, hochsensible Sensoren, Breitbandkabel, um simultan zwei Aufführungen in zwei weit auseinanderliegenden Städten zu zeigen, Farbexplosionen, ein Heer von Kameraleuten, die in der Spielszene herumwuseln und wie im Kino Großaufnahmen von Schauspielergesichtern für eine Leinwand machen, die der einzige Bühnenaufbau ist...

Die Technik (nicht etwa die alte Mechanik) hat das Theater im Griff, elektronische Spielereien triumphieren über Inhalte, Illusionen erzeugen nur noch Drama-Dateien. Und dann erfährt man, dass ein einziges Handy dem ganzen Zauber ein jähes Ende bereiten könnte! Tatsächlich möchte man bei manchen Produktionen in der ehrfurchtsvollen Stille des Saales schon mal heimlich auf den Empfangsknopf seines Smartphones klicken und seinem Nachbar wie Alexis Sorbas zuflüstern: "Hast Du jemals erlebt, wie etwas so schön zusammen kracht?"

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