Die Grünen im Wahlkampf

Baerbock im Wahlkampf: Eine Melange, die nicht mundet

24.5.2021, 14:31 Uhr
Ihre Schritte als Kanzlerkandidatin werden genau beobachtet: Annalena Baerbock auf dem Weg zu einem Interview.

© Kay Nietfeld, dpa Ihre Schritte als Kanzlerkandidatin werden genau beobachtet: Annalena Baerbock auf dem Weg zu einem Interview.

Der Wahlkampfauftakt hätte für die Grünen nicht besser laufen können. Ein professionell inszenierter Bühnenauftritt einer strahlend-frischen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, von ihrem Co-Parteivorsitzenden Robert Habeck fast schon demütig auf den Schild gehoben, begleitet von überwiegend wohlwollender Berichterstattung und Kommentierung in den Medien, verhalf den Grünen zu Umfragewerten, die sogar noch besser waren als zuvor.

Ein paar Wochen später haben die Grünen mit den Zumutungen des Alltags in einem Wahljahr zu kämpfen, weil das, was eine Kanzlerkandidatin sagt oder macht, auf einmal doch mehr Gewicht hat als das einer Partei-Co-Vorsitzenden. Und so wird aus einer falschen historischen Einordnung in einer Bundestagsrede (die SPD habe die soziale Marktwirtschaft erfunden), einer viel zu lange versäumten Meldung von Nebeneinkünften (und einer moralisch fragwürdigen Überweisung eines Corona-"Leistungsbonus´" von 1500 Euro), einer kritischen Beleuchtung der akademischen Karriere und der Kompetenz, die Richtlinien der deutschen Politik zu bestimmen, ein untauglicher Versuch, eine Rassismusdebatte um Boris Palmer zu ersticken sowie einer langsam anschwellenden, partei-internen Mäkelei am Wahlprogrammentwurf eine Melange, die weder der Kandidatin noch der den Grünen gewogenen Öffentlichkeit mundet. Folge: Die Umfragewerte für Baerbock sinken, und in den Medien wird die Frage thematisiert, ob es das schon gewesen sei mit dem Höhenflug der Grünen.

Seriös ist das derzeit noch kaum zu bewerten. Aufschlussreich wird allerdings die Debatte um das Wahlprogramm werden. Mehr als 3000 Änderungsanträge aus der Parteibasis sind zu dem Programmentwurf eingegangen, den Baerbock und Habeck zu verantworten haben.

Gefordert wird nicht nur, das Wort "Deutschland" aus dem Titel zu streichen - Igitt, klingt ja irgendwie rechtslastig; nein, beantragt wird zum Beispiel, dass die EU-Außengrenzen "durchlässig" sein und alle, die nach Europa wollen, sich einen Aufnahmestaat aussuchen können sollten; angeregt wird ferner, dass Kommunen in "in angespannten Wohngegenden die vertraglich vereinbarten Mieten eigenständig absenken" können; und beim Klimaschutz würden nicht wenige an der Parteibasis am liebsten noch schärfere CO²-Reduktionsziele formulieren als es das Bundeskabinett nach dem entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts ohnehin verabschiedet hat.


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Mitte Juni findet der Parteitag statt, auf dem die Anträge diskutiert werden. Setzt sich die Parteibasis in wesentlichen Punkten durch, würde aus dem Entwurf ein Programm, das mit der fröhlich-unbeschwerten "Mit uns wird das Leben schön grün"-Rhetorik von Baerbock und Habeck bricht. Es wäre beinhart links, geeignet für eine grün-rot-dunkelrote Koalition. Ob das diejenigen wollen, die bisher Baerbocks Kandidatur unter dem Aspekt betrachteten, es brauche einfach frischen Wind im Kanzleramt?

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