Corona: Darum ist das Lockern der Beschränkungen so schwer

28.4.2020, 11:59 Uhr
Auf der einen Seite steht die Gesundheit von Menschen auf dem Spiel, auf der anderen Seite deren Freiheitsrechte.

© Kay Nietfeld Auf der einen Seite steht die Gesundheit von Menschen auf dem Spiel, auf der anderen Seite deren Freiheitsrechte.

Krisen offenbaren Stärken und Schwächen, das gilt natürlich auch für Corona und das Medizinsystem. Es ist bisher stabil genug, um mit dieser Belastung umzugehen, und das ist gut so. Weniger gut ist, dass das Meldesystem zu den  Neuansteckungen bis heute nicht richtig funktioniert. Das macht es der Politik schwer, über die dringend nötigen Lockerungen zu entscheiden - und kann dazu führen, dass Freiheitsrechte deutlich länger beschnitten werden als notwendig.

Das Problem fängt schon bei den Test selbst an: Es gibt keine konsequent angewendeten Regelungen, wann eine Probe analysiert werden soll und wann nicht. Wer das oft tut, bekommt wahrscheinlich auch mehr positive Ergebnisse - weil offenbar viele Infektionen mit wenig oder schwachen Symptomen verlaufen. Vergleichbarkeit sieht anders aus.


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Der nächste Punkt: Gesundheitsämter senden ihre Zahlen unterschiedlich schnell ans Robert-Koch-Institut, am Wochenende schon einmal gar nicht. Ein entsprechend verzerrtes Bild gibt die tägliche Zahl der Neuansteckungen ab. Am Montag pflegte sie eher niedrig zu sein, weil übers Wochenende oft Arbeitsruhe herrschte. Dienstags und mittwochs gingen die Zahlen dann in die Höhe, denn die Daten wurden nachgereicht.

Erst seit wenigen Wochen wird eine naheliegende Methode angewendet, um diesen Mangel zu auszugleichen: Die Testergebnisse werden jenen Tagen zugeordnet, an denen sie erhoben wurden. Aber auch das hat Nachteile, denn diese Daten hinken zwangsläufig der Entwicklung nach oder müssen geschätzt werden.

Und dann ist da die sogenannte Reproduktionsrate, also die Zahl jener, die ein Infizierter ansteckt. Sie ist jetzt leicht auf Eins angestiegen - aber was das wirklich bedeutet, lässt sich nur schwer sagen. Das ist einerseits bedingt durch die unsichere Datenlage. Andererseits wird ein Hinweis gern übersehen, den das Robert-Koch-Institut selbst gibt: Sie sagt allein wenig aus, sondern lässt sich nur im Zusammenhang mit der absoluten Zahl der Neuinfektionen werten. Denn wenn die so gering wäre, dass sich die Infektionsketten durch Quarantäne unterbinden ließen, wäre das Problem gut zu lösen.

Es gibt in diesen Bereichen also reichlich Handlungsbedarf, um die Datenlage zum einen jetzt möglichst schnell, zum anderen aber auch im Hinblick auf zukünftige Infektionskrankheiten zu verbessern. Das klingt unspektakulär, ist es aber nicht. Denn Politik kann immer nur so gut sein wie die Grundlagen, auf denen Entscheidungen getroffen werden.

Auf der einen Seite steht die Gesundheit von Menschen auf dem Spiel, auf der anderen Seite deren Freiheitsrechte. Beide Güter sind von so überragender Bedeutung, dass sie eine schnelle, gründliche Überarbeitung des bisherigen Systems zwingend erforderlich machen.

 

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