So kommentiert die NZ
Erstes TV-Triell: Kein Sieger, aber ein Gewinn
30.8.2021, 17:51 UhrEndlich wurde in diesem Wahlkampf mal keine schmutzige Wäsche gewaschen. Es ging fast durchweg um Inhalte der Wahlprogramme, um Zukunft statt Plagiate. Bei der ersten Frage der Moderatorin Pinar Atalay, was die Kandidaten an ihren Konkurrenten schlecht fänden, setzten diese einhellig den positiven Rahmen für die gesamte Veranstaltung: das eigene Programm präsentieren und nicht die Konkurrenten schlecht machen.
Das hatte natürlich zur Folge, dass es auch nicht wirklich spannend war. Viel Neues kam nicht. Entsprechend fiel auch am Ende die Bewertung der Zuschauer aus: Olaf Scholz blieb weiter der beliebteste Kandidat, obwohl – oder gerade weil? – er sich nicht aus der Ruhe bringen ließ. Annalena Baerbock spielte erfolgreich die Armuts-, Mutter- und Familienkarten und nannte verdächtig oft das Wort „Freiheit“, um die Grünen vom Image der Verbotspartei zu befreien. Für Armin Laschet blieb Platz drei, obwohl er sich deutlich zupackender gab als in den letzten Wochen.
Das Triell zeigt: Die Unterschiede werden klarer
Dass die Bewertung der jeweiligen Parteifreunde bei Twitter und in Interviews ganz anders aussah, dass zum Beispiel Markus Söder einen „klaren Sieg“ Laschets notierte, ist übliches Wahlkampfgeklingel. Es gab letztlich weder Sieger noch Verlierer. Bemerkenswert war eher, dass die anschließende Analyse-Runde Scholz nicht als Sieger gekürt hätte. In Krisenzeiten zählt Regierungserfahrung eben doch. Dazu kommt, dass Scholz’ Achillesfersen CumEx und Wirecard weit entfernt vom täglichen Leben der übergroßen Mehrheit der Wählerschaft liegen.
Jeder landete mindestens einen Volltreffer bei der Konkurrenz: Baerbock ließ Laschet beim Thema Kinderarmut und Soli-Abschaffung alt aussehen. Scholz erklärte ihm, wie es sich mit der Vorratsdatenspeicherung wirklich verhält, aber Laschet stellte ihn bei der Frage nach einem Bündnis mit der Linkspartei: Scholz vermied ein klares Nein aus Rücksicht auf seinen eigenen linken Parteiflügel und nannte umständlich Bedingungen für eine Koalition mit den Sozialisten: klares Bekenntnis zu Wirtschaftswachstum, NATO und EU.
Alle vermieden Zumutungen fürs Wahlvolk beim Thema Klima, obwohl Moderation und Hintergrundbild ihnen mit der Frage, was sie dafür nach der Wahl als erstes tun würden, das Thema „Tempolimit 130“ geradezu auf dem Silbertablett servierten. So drückten sie sich weitgehend um die Frage, wer die Mehrkosten des Klimaschutzes tragen müsse.
Baerbock und Laschet bei TV-Showdown streitlustig - Scholz klar, aber zurückhaltend
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Unter dem Strich war das erste Triell ein Gewinn für die politische Kultur in diesem Land. Entscheidende Veränderungen in der Rangfolge dürfte es nicht bewirkt haben, außer dass Baerbock wieder zu den Männern aufgeschlossen haben dürfte. Wichtige Themenbereiche blieben außen vor, zu nennen sind Digitalisierung oder Innovationskraft, Infrastruktur oder Mobilität, Pflegenotstand oder Migrationsfragen. Aber es gibt ja noch weitere Kandidatenrunden.
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