Kommentar: 2020 wird ein Jahr der Reisescham

19.5.2020, 14:12 Uhr
Die Grenzen sollten, anders als der Weltärztebund-Chef empfiehlt, geöffnet werden, findet NN-Kommentator Hans-Peter Kastenhuber,

© Michel Euler, dpa Die Grenzen sollten, anders als der Weltärztebund-Chef empfiehlt, geöffnet werden, findet NN-Kommentator Hans-Peter Kastenhuber,

Weltärztebund-Chef Frank Ulrich Montgomery hat recht mit seiner Mahnung, die Menschen sollten aus gesundheitlichen Gründen in diesem Jahr am besten an ihrem Wohnort bleiben. Nur mit seinem Ratschlag, aus diesem Grund die Grenzen zum Ausland geschlossen zu halten, liegt er falsch.

Im derzeitigen Stadium der Corona-Krise muss nicht mehr jedes vernünftige Verhalten durch staatliche Direktiven und Verbote erzwungen werden. Die schrittweisen Grenzöffnungen sind ein dringend erforderlicher Schritt auf dem Weg zur Normalisierung der Verhältnisse. Sie hilft nicht nur der Wirtschaft, sondern ermöglicht es auch Familien und Einzelpersonen, über Grenzen hinweg wertvolle Kontakte zu pflegen. Nicht jede Grenzüberquerung ist schließlich der Beginn einer in Pandemiezeiten diskussionswürdigen Urlaubsreise.

Man wird die nächsten Wochen noch abwarten müssen, um zuverlässig sagen können, ob aus epidemiologischer Sicht 2020 endgültig ein verlorenes Jahr für den Tourismus sein wird. Auch wenn die Lockerungen der jüngsten Zeit keinen wesentlichen Anstieg der Infektionszahlen bringen werden, dürfte die Lust der Deutschen auf Auslands- und vor allem auf Fernreisen in diesem Jahr aber deutlich hinter dem üblichen Niveau zurückbleiben.


Reisen in andere Bundesländer: Das müssen Sie beachten


Man muss schon vom Glauben geplagt sein, dass die weltweite Aufregung um das Coronavirus pure Hysterie oder eine von dunklen Mächten erdachte Schikane ist, um derzeit einen Strandurlaub in Italien oder Spanien kaum mehr erwarten zu können.

Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Jedem und jeder sei – gerade in dieser für viele nicht leichten Zeit – eine unbeschwerte Auszeit fern der Heimat vergönnt und jedem Reisebüro endlich wieder ein Vertragsabschluss. Aber mit Maske und Desinfektionsspray im Gepäck in Länder zu fahren, die bis vor kurzem ihre eigenen Bürger zu einem wesentlich strengeren Hausarrest verdonnert hatten als uns das auferlegt wurde, ist doch eine äußerst zweifelhafte Vorstellung von Erholungsurlaub.

Verständliche Ungeduld

Auch wenn gerade Italien und Spanien – auch das muss ausdrücklich betont sein – natürlich äußerst nachvollziehbares Interesse daran haben, ihrer so überlebenswichtigen Tourismusbranche wieder einen geschäftlichen Neustart zu ermöglichen. Von Fernreisen ans andere Ende der Welt darf einen nach den Erfahrungen der letzten Monate dagegen die Scheu abhalten, den Rückflug nicht über ein Notprogramm des Auswärtigen Amtes organisiert bekommen zu wollen.

Es ist, auch wenn das merkwürdig klingen mag, eine Zeit der Reisescham. Und die hat noch nicht einmal etwas mit den auch nicht überflüssig gewordenen Klimaschutzideen zu tun.

2020 wird das Jahr, in dem die Deutschen vor allem im eigenen Land Urlaub machen. Und das Ausland muss sich nicht grämen. Wir kommen wieder.

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