Kommentar: #Dorfkinder haben Klöckners Imagekampagne nicht nötig

21.1.2020, 10:55 Uhr

Wer vom Land in die Stadt gezogen ist oder den umgekehrten Weg gemacht hat, kennt sie - die Sprüche, die hier wie da fallen: Dorfkinder, heißt es zum Beispiel in der Stadt, seien eher einfach gestrickt. Das merke man etwa daran, dass sie ihre Freizeit in getunten Angeberautos oder bei der Freiwilligen Feuerwehr verbringen, deren vorrangiger Zweck das gemeinsame Trinken sei.

Stadtkinder, heißt es dagegen auf dem Land, seien verwöhnt und überheblich. Ihr Leben spiele sich tagsüber zwischen Latte Macchiato to go und Biomarkt ab, bevor sie abends in ihre Mini-Wohnungen in asozialen Betonvierteln zurückkehrten. Draußen und ohne das, was auf dem Land produziert würde, könnten sie keine zwei Tage überleben.

Beides ist freilich völlig Unsinn, weil es die unendlich verschiedenen Lebensentwürfe und Lebensrealitäten junger (und auch älterer) Menschen verkennt. Und mag das Bundeslandwirtschaftsministerium nun auch noch so betonen, Ziel der #Dorfkinder-Kampagne sei eben nicht, Stadt gegen Land auszuspielen, so passiert doch genau das.

Unter dem entsprechenden Twitter-Hashtag finden sich - neben tatsächlich geistreichen Beiträgen - auch viele Kommentare wie jener, wonach "Identitätslinke" die Landbevölkerung zu "ausländerfeindlichen, homophoben Rednecks" erklärten und mit diesem "Geschwätz intellektuelle Insolvenz" anmeldeten. So unterirdisch kann die vom Ministerium ersehnte "Debatte über das Leben auf dem Land" also aussehen.

Lebenswelten klaffen auseinander

Dabei wäre diese Debatte über "gleichwertige Lebensverhältnisse" - so das Versprechen des Grundgesetzes - ja in der Tat notwendig. Im Ballungszentrum Nürnberg-Fürth-Erlangen, wo es selbst vom kleinen Dorf nicht weit zun nächsten Zentrum ist, merkt man es zwar nicht ganz so stark, aber die Lebenswelten zwischen Land und Stadt klaffen in Deutschland zunehmend auseinander: Während die Städte aus allen Nähten platzen (mit Folgen wie steigenden Mieten und sozialen Problemen), verfällt vielerorts auf dem Land die Infrastruktur: Der Bus kommt nur zwei Mal am Tag, der letzte Bäcker hat dicht gemacht und ein Schwimmbad gibt es schon lange nicht mehr.

Hier anzusetzen, ist Aufgabe von Politik, hier wären Engagement und Geld allemal besser angelegt als in einer Imagekampagne, die Dorfkinder nicht nötig haben. Denn die wissen auch so, was sie können.

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