Kommentar: Journalisten müssen unabhängig arbeiten dürfen

3.5.2020, 08:24 Uhr

Haben Sie in letzter Zeit mal über Pressefreiheit nachgedacht? Nein? Das könnte daran liegen, dass in Deutschland tatsächlich eine freie Presse arbeiten darf. Eine, die sogar den Schutz des Grundgesetzes genießt. Denn in Artikel 5 heißt es: "Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt."

Es ist deshalb auch kein Zufall, dass Pressevertreter zu den sogenannten systemrelevanten Berufen gehören, denen in Corona-Zeiten besonderer Stellenwert beigemessen wird.

Eine Selbstverständlichkeit, glauben Sie? Leider nicht. Ein Blick auf die Weltkarte der Pressefreiheit zeigt dies eindrücklich. Mussten wir früher diktatorische Regimen wie etwa Nordkorea (Platz 179) oder autoritär geführte Staaten wie China (177) oder Russland (149) bemühen, um auf die Gefährdung der Pressefreiheit hinzuweisen, genügt heute ein Blick über die Grenzen.

Das Böse liegt nahe

Da findet sich beispielsweise auf Position 87 Ungarn. Ein EU-Mitglied, das binnen eines Jahres gleich 13 Plätze in dem von der Organisation Reporter ohne Grenzen erstellten Ranking zurückfiel.

Schamlos werden dort die Rechte der ehemals freien Presse eingeschränkt. Gleiches gilt für Polen, das heuer noch den 59. Platz einnimmt, bald aber nach hinten durchgereicht werden dürfte.

Das Böse liegt also nahe. Deutschland hat übrigens auch noch Luft nach oben, rangiert mit Platz 13 knapp hinter den Top Ten. Zu mehr reicht es wegen der gestiegenen Gefährdungslage für Mitarbeiter von Onlineportalen, Zeitungen, Funk und Fernsehen nicht. Insbesondere am Rande rechtspopulistischer oder rechtsextremer Veranstaltungen leben Journalisten gefährlich. Bei den Demonstrationen in Chemnitz im Sommer 2018 (das Jahr, auf das sich die vorliegenden Zahlen beziehen) mussten sich Medienvertreter reihenweise Kameras und Handys aus der Hand schlagen lassen. Zudem wurden sie mit "Lügenpresse"-Rufen eingeschüchtert.

Erst am Freitag, den 1. Mai, machte ein Vorfall in Berlin Schlagzeilen: Ein Kamerateam des ZDF wurde von Vermummten angegriffen. Vier Menschen mussten daraufhin ins Krankenhaus, der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.

Erschreckend

Eine erschreckende Entwicklung, denn eine solche Behinderung der Arbeit ist schlicht nicht hinnehmbar. Für Journalisten gilt das umso mehr.

Wer sonst würde kritische Fragen stellen? Etwa zu den Maßnahmen, die zur Bekämpfung von Corona getroffen werden. Fragen, die in Zeiten, in denen die Parlamente de facto von der Exekutive ausgebremst wurden, gestellt werden mussten.

Wer sonst würde Skandale aufdecken? Etwa den des Arbeiter-Samariter-Bundes, den unser Kollege Michael Kasperowitsch ans Tageslicht gefördert hat?

Wer sonst gibt den Menschen am Rand der Gesellschaft eine Stimme? Etwa wenn es um die schwierige Wohnungssuche in Ballungszentren geht?

Die Medien in Deutschland tun dies. Sie erfüllen damit ihren qua Verfassung geschützten Auftrag. Es lohnt sich also, über Pressefreiheit nachzudenken.

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