Kommentar: Nicht länger trödeln bei der Kanzlerfrage

15.3.2021, 12:37 Uhr
Weder bei der Union noch bei den Grünen steht fest, wer Kanzlerkandidat(in) wird.

Weder bei der Union noch bei den Grünen steht fest, wer Kanzlerkandidat(in) wird.

Es sind noch knapp 200 Tage bis zur Bundestagswahl. Dann werden wir nach der langen Ära Merkel definitiv einen Wechsel an der Spitze unserer Regierung haben. Doch ausgerechnet die beiden aussichtsreichsten Parteien/Parteilager zögern mit der Nominierung ihres Kandidaten oder ihrer Kandidatin. Grüne und Union machen bisher eher nebulöse Angaben darüber, wann sie sich entscheiden wollen. Das ist nicht überraschend, denn es gibt jeweils zwei Führungsfiguren, allesamt Parteivorsitzende, die in Frage kommen könnten. Allmählich haben die Deutschen aber ein Recht auf eine klare Ansage.

Wenn man sich alleine die drei letzten Kanzlerpersönlichkeiten ansieht, dann wird klar, wie wichtig der menschliche Faktor ist. Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel steuerten das Land auf höchst unterschiedliche Weise. Netzwerkend der eine, mit klaren Ansagen der andere, tastend die dritte. Die Besetzung des Chefsessels ist deswegen mindestens so wichtig wie das Wahlprogramm.

Es ist schon klar, warum Union und Grüne noch zögern. Die Entscheidung für eine bestimmte Person ist unumkehrbar und schränkt das Spektrum zwangsläufig ein. Wird es bei der Union zum Beispiel Armin Laschet, dann könnte er mit weiter abrutschenden Persönlichkeitswerten bei der Bundestagswahl eine echte Belastung werden. Kommt Markus Söder zum Zuge, dann muss er es im Gegensatz zu den bisherigen CSU-Kandidaten Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber schaffen, die große CDU-Basis besser mitzureißen.

Irgendwann ist es Schluss mit dem Wohlfühl-Klima

Bei den Grünen ist es kaum leichter. Vieles spräche dafür, sich angesichts eine reinen Männerriege für eine Frau zu entscheiden, also für Annalena Baerbock. Das Gegenargument: Robert Habeck hat immerhin einige Regierungserfahrung zu bieten, was bisher bei allen Amtsinhabern der Fall war. Die Partei genoss es in den zurückliegenden Monaten erkennbar, mit einem Duo aufzutreten und sich dieses Wohlfühl-Klima nicht zerstören zu lassen. Doch die Verfassung sieht eben nun mal keine Doppellösung vor.

Das ständige Abtasten, manchmal sogar leichtes Anstänkern (in der Union) der Bewerber(innen) tut den Parteien nicht gut, je länger es dauert und je mehr es an Schärfe zunimmt. Das freut eigentlich nur die SPD, deren Kanzlerkandidat Olaf Scholz seit Monaten in jeder Talkshow über das Rangeln bei der Konkurrenz milde lächelt.

Kurz nach Ostern, also Anfang bis Mitte April, sollte die Entscheidung fallen. Dann sind es nur noch fünf Monate bis zur Wahl - genug Zeit, für Laschetsöderhabeckbaerbock sich als kommende(r) Regierungschef(in) zu präsentieren. Nur zur Erinnerung: 2002 hatte man sich in der Union schon Mitte Januar zwischen Stoiber und Merkel entschieden.

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