Kommentar zu AKK: Die irrlichternde CDU-Chefin

28.5.2019, 14:47 Uhr
Eckt bei Youtubern mächtig an: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.

© Odd Andersen/AFP Eckt bei Youtubern mächtig an: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Und schon wieder danebengelangt: Erst reagiert CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) verschnupft auf das Video des Youtubers Rezo, in dem er ihrer Partei auf mehreren Feldern politisches Versagen vorwirft. Und nun auch noch das: Sie bringt Regeln für Meinungsmache im Internet zu Wahlkampfzeiten ins Gespräch. Viel tapsiger kann man sich auf diesem Terrain kaum bewegen. Es wirkt so, als wolle sie die Schuld an der Schlappe bei der EU-Wahl anderen in die Schuhe schieben. Souverän geht anders.

Die Reaktionen im Netz lassen nicht lange auf sich warten, nur Stunden nach dieser unbedarften Äußerung haben mehrere YouTuber reagiert und wehren sich gegen diesen "Versuch der Zensur", wie sie es nennen. Ist das denn so? Dazu muss man an dieser Stelle den Paragrafen 5 des Grundgesetzes nochmal zitieren. Dort heißt es:

"Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt."

Recht auf Meinungsfreiheit ist fundamental

Von einer Frau, die sich anschickt, Bundeskanzlerin zu werden, muss man erwarten, dass sie diesen Passus kennt, dessen Bedeutung man gar nicht hoch genug einschätzen kann. Das Bundesverfassungsgericht etwa bezeichnet die Meinungsfreiheit als "konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung."

Dieses Recht ist für das Selbstverständnis dieser Nation so fundamental, dass selbst Meinungen, die der verfassungsmäßigen Ordnung zuwiderlaufen, dadurch geschützt werden - ansonsten gäbe es keine Demos oder Kundgebungen von Rechts- oder Linkspopulisten, letztlich noch nicht einmal Parteien wie NPD und Konsorten, solange sie nicht vom Verfassungsgericht verboten werden.

Dass Annegret Kramp-Karrenbauer nun gerne Regeln in der digitalen Welt hätte, die ihr das Leben leichter machen, ist von ihrer Warte aus verständlich - aber mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Politiker vertreten bisweilen einen Kurs, der manchen nicht passt. Kritik daran müssen sie aushalten, egal ob gedruckt, über Radio und TV verbreitet, am Stammtisch oder eben auch (und im 21. Jahrhundert besonders) im Internet. Das gehört zur Jobbeschreibung.

Lindner hat Recht!

Tatsächlich hat sich der FDP-Vorsitzende Christian Lindner angesichts der AKK-Initiative der liberalen Wurzeln seiner Partei erinnert und dazu etwa Brauchbares gesagt: "@akk erwägt die Regulierung von Meinungsäußerungen vor Wahlen... Das kann ich kaum glauben. Wir brauchen im Gegenteil mehr offene Debatten, auch in Sozialen Medien", twitterte er. Und hat damit völlig recht.

So ist auch das Rezo-Video zu verstehen. Ein junger Mann mit blauer Haartolle äußert darin seine Meinung. Das ist vom Grundgesetz voll und ganz abgedeckt und muss keine ansonsten geltenden journalistischen Standards erfüllen. Das mag AKK und anderen CDU-Granden nicht in den Kram passen, aber dieses Video ist eine Chance, das wahrzunehmen, was viele Millionen bewegt. Es ist eine Chance, wieder etwas Bodenhaftung zu bekommen und mit den Menschen im Land in Dialog zu treten. Wenn die CDU-Chefin das nicht erkennt und zickig reagiert, ist sie als mögliche Nachfolgerin für Kanzlerin Merkel kaum geeignet.

Dieses Video des Youtubers Rezo hatte vor den Wahlen die Debatte ausgelöst:"

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