Regierungskritikerin verurteilt

Kommentar zu Belarus: Lukaschenko kann sich nur mit Härte halten

7.9.2021, 17:16 Uhr
Der Präsident von Belarus, Alexander Lukaschenko, regiert mit eiserner Faust.  

© Nikolay Petrov, dpa Der Präsident von Belarus, Alexander Lukaschenko, regiert mit eiserner Faust.  

Es ist ein logisches Urteil - jedenfalls nach der Logik des Minsker Machthabers Alexander Lukaschenko. Der Diktator von Belarus weiß: Wenn er seinen vielen, mutigen und zähen Gegnern (die in seinem Fall vor allem Gegnerinnen sind) auch nur einen Millimeter Freiheit gewährt, dann ist das der Anfang von seinem Ende.

An der Macht hält sich Lukaschenko nur noch dadurch, dass er seine Widersacher wegsperrt oder außer Landes schafft. Maria Kolesnikowa ist eine besonders wichtige, einflussreiche Gegnerin des Despoten. Zusammen mit Swetlana Tichanowskaja und Veronika Zepkalo stand die früher auch in Stuttgart engagierte Kulturmanagerin an der Spitze der Protestbewegung gegen die Wahlfälschung 2020.

Tichanowskaja, die vermutlich eigentliche Siegerin dieser Präsidentschaftswahl, lebt inzwischen in Litauen, Zepkalo in Polen. Sie gingen vor der drohenden Verfolgung und Verhaftung durch das Regime ins Exil. Kolesnikowa blieb: Als der Geheimdienst sie 2020 entführte und außer Landes bringen wollte, zerriss sie ihren Pass in kleine Stücke und erzwang so ihren Verbleib in Belarus - wenn auch in Haft.

Nun muss sie elf Jahre in Haft, ihr Anwalt zehn. Ein politisches Urteil: Das Regime verbannt eine nach wie vor nicht zu unterschätzende Gegnerin hinter Gitter. Die Begründung ist eine Farce, eines Rechtsstaats absolut unwürdig: Kolesnikowa sitzt im Gefängnis allein deshalb, weil sie für Demokratie und Freiheit kämpft. Mutig und unerschrocken.

Die Oppositionelle Maria Kolesnikowa (r.) ist zu elf Jahren Haft verurteilt worden. 

Die Oppositionelle Maria Kolesnikowa (r.) ist zu elf Jahren Haft verurteilt worden.  © Ramil Nasibulin, dpa

Also ganz das Gegenteil von Lukaschenko. Er hat Angst. Deshalb geht er maßlos gegen seine Kritiker vor. Lässt ein Flugzeug entführen, um einen missliebigen Blogger zu inhaftieren - so geschehen mit Roman Protassewitsch, der nun von einem Horror-Gefängnis in den streng bewachten Hausarrest wechselte.

Lukaschenkos Paranoia geht inzwischen so weit, dass er Sportlern Einsätze im Ausland verbieten will. In Erinnerung haben wir noch jene Sprinterin Kristina Timanowskaja, die sich von den Olympischen Spielen in Tokio nach Polen absetzte - weil ihr bei der Rückkehr in ihre Heimat ebenfalls Haft oder Einweisung in die Psychiatrie gedroht hätte. Der Grund: Kritik an ihren Trainern - und damit auch am Regime.

Der Diktator hält sich, weil ihn der größere Diktator im Osten stützt: Ohne den Rückhalt von Kreml-Chef Putin wäre Lukaschenkos Regime vermutlich schon implodiert. Russlands Machthaber fürchtet, dass sich in seinem Reich wiederholt, was in Belarus geschieht: eine immer mächtigere Bewegung für Freiheit und Demokratie bekämpft die Diktatur und unterhöhlt deren Macht.

Wie kann dieser Prozess gefördert werden? Sanktionen des Westens zeigen durchaus Wirkung. Das ebenso erwartbare wie skandalöse Urteil gegen Kolesnikowa ist ein Grund mehr, daran festzuhalten. Denn Lukaschenko und Putin müssen wissen: Freiheit und Menschenrechte lassen sich nicht auf Dauer und auch nicht ungestraft unterdrücken.

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