Kommentar zu Hartz IV: Ohne Sanktionen geht es nicht

10.4.2019, 12:12 Uhr
Die Zahl der Sanktionen ist 2018 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen.

© Jens Büttner/dpa Die Zahl der Sanktionen ist 2018 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen.

Muss eine deutsche Behörde tatsächlich so schreiben? Wer schon einmal Briefe von Jobcentern zu Gesicht bekommen hat, reagiert mitunter entsetzt. Der Ton, der dort angeschlagen wird, ist scharf. Schon präventiv werden dort umfangreiche Sanktionsmöglichkeiten angedroht  - auch wenn der Adressat noch nie in Konflikt mit dem Jobcenter geraten ist.

Dass sich Menschen da gegängelt, ja gar ausgeliefert fühlen, ist somit völlig verständlich. Selbst in der Zentrale, der Bundesagentur für Arbeit, hadern viele hinter vorgehaltener Hand mit dem Ton, der in den Schreiben angeschlagen wird.

Linke, Grüne und Teile der SPD nehmen dies mit zum Anlass, grundsätzlich die Abschaffung aller Hartz-IV-Sanktionen zu fordern. Doch ohne Sanktionen wird es nicht gehen.


Kommentar: Warum man Hartz IV nicht abschaffen sollte


So geht aus der Statistik, die die Bundesagentur für Arbeit am heutigen Mittwoch vorgelegt hat, hervor, wofür die überragende Zahl der Sanktionen (77 Prozent) ausgesprochen wird: Meldeversäumnisse. Üblicherweise verbergen sich hinter diesem Wort verpasste Termine beim Jobcenter.

Die Verpflichtung, den Einladungen nachzukommen oder - bei Vorliegen eines triftigen Grundes - zumindest abzusagen, sollte nicht einfach abgeschafft werden. Das gebietet, einerseits, die Rücksicht auf die laut Statistik 90 Prozent der Hartz-IV-Bezieher, die ihren Verpflichtungen nachkommen und die nie eine Sanktion erhalten. Wenn Regeln nicht mehr gelten, wären sie die Dummen.

Dass erwerbsfähige Menschen, deren Lebensunterhalt der Staat finanziert, ihre Termine einhalten, dass sie zumutbare Arbeit nicht einfach ablehnen, dürfen - andererseits - auch die Steuerzahler erwarten. Von ihnen stammt letztlich das Geld, mit dem das Sozialsystem ausgestattet wird.

Wenn Obdachlosigkeit droht

Das heißt allerdings nicht, dass bei den Sanktionen einfach alles wie beim Alten bleiben sollte: Es ist - auch von wissenschaftlicher Seite - vielfach darauf hingewiesen worden, dass vor allem die schärferen Sanktionen, die für Unter-25-Jährige gelten, kontraproduktiv wirken können. Wenn diesen jungen Menschen im Extremfall ein Teil der Unterkunftskosten gestrichen wird, dann droht ihnen der Verlust der Wohnung. Einmal in Obdachlosigkeit, sinkt die Chance, Arbeit zu finden, aber auf ein Minimum. Das kann nicht im Sinne des Staates, nicht im Sinne der Steuerzahler sein - und schon gar nicht im Sinne der Betroffenen.

Hier - und nicht bei der grundsätzlichen Frage einer Abschaffung aller Sanktionen - besteht der wahre Handlungsbedarf.

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