Massive Veränderungen im Alltag

Kommentar zur Energiewende: Eine Herausforderung für die Demokratie

11.8.2021, 09:07 Uhr
Die Klimakrise wie hier in Hamburg auszurufen ist leicht, die Umsetzung von Gegenmaßnahmen wird aber tief in den Alltag eingreifen.

© Christopher Tamcke via www.imago-images.de, imago images/Future Image Die Klimakrise wie hier in Hamburg auszurufen ist leicht, die Umsetzung von Gegenmaßnahmen wird aber tief in den Alltag eingreifen.

Die Ära der fossilen Brennstoffe muss zu Ende gehen, wenn die vom Menschen gemachte Erderwärmung gestoppt werden soll. Das ist im Grunde eine Erkenntnis aus den neunziger Jahren, die von der Weltklimakonferenz in dieser Woche noch in ihrer Dringlichkeit verschärft wurde. Es ist in den vergangenen Jahren auch schon viel passiert. Der Ausstoß des Klima schädlichen CO2 ist in Deutschland beispielsweise deutlich zurückgegangen. Doch es reicht nicht, den Klimawandel abzubremsen.

Schutzgut Mensch gegen Schutzgut Natur

Die Maßnahmen, mit denen die Erderwärmung gestoppt werden sollen, haben erhebliche demokratische Implikationen. Steht das Schutzgut Natur immer über dem Schutzgut Mensch? Wie weit lässt man individuelle Wünsche noch zu? Wer entscheidet am Ende? Das Ziel Energiewende könnte alle anderen Entscheidungen dominieren, wenn es konsequent interpretiert wird. Wollen wir das? Einige Beispiele: Der Nürnberger Tiergarten plant, eine große neue Photovoltaik-Anlage auf einem Parkplatz zu bauen, um komplett klimaneutral bei seiner Stromversorgung zu werden. Dafür müssten auch einige Bäume gefällt werden. Doch harter Widerstand deutet sich schon jetzt an. Es soll kein Baum geopfert werden. Energiewende oder Naturschutz? Beides kann bei der Abwägung, die zu einer Entscheidung führen muss, nicht gleichberechtigt berücksichtigt werden.

Die Energiewende beschert Firmen im Elektrohandwerk volle Auftragsbücher. Andere werden zurückstecken müssen, wenn der Kampf gegen die Erderwärmung ernst genommen wird.

Die Energiewende beschert Firmen im Elektrohandwerk volle Auftragsbücher. Andere werden zurückstecken müssen, wenn der Kampf gegen die Erderwärmung ernst genommen wird. © Nestor Bachmann, dpa

Es gibt kein Recht auf Fleischgenuss

Ein ähnliches Problem wird es mit der geplanten Stromtankstelle von Audi geben. Auch hier wird eine Grünfläche geopfert werden, um an einem verkehrlich günstigen Ort, neben der Messe, Strom tanken zu können Der VW-Konzern hat angekündigt, dass in seinen Kantinen kein Fleisch mehr angeboten wird. Massentierhaltung ist dem Klima abträglich und es gibt kein Recht auf Fleischgenuss. Aber ist es richtig, Mitarbeitern vorzuschreiben, was sie essen sollen? Steigt die Akzeptanz für die Energiewende oder von gesundem Essen, wenn Kantinen keine Wahl mehr lassen?


Schlimme Folgen des Klimawandels


Wohin mit den Zweitaktern?

Heimelige Wärme versprechen alte und neu Holzöfen. Sicher, sie haben inzwischen Filter, aber CO2 Schleudern sind sie noch immer. Sie müssten mit Verweis auf die Energiewende komplett verboten werden. Das müsste auch für Zweitakt-Motoren und Oldtimer mit Sechszylindern gelten. Wer entscheidet das? Angesichts des Weltklimas sind diese kleineren und größeren Probleme natürlich marginal, aber der Einzelne steht ihnen gegenüber und wird aufgefordert: Du musst dein Leben ändern.

Eine ganz andere Problemdimension werden die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze haben. Es werden Arbeitsplätze etwa durch das Verbot von Verbrennermotoren wegfallen. Hoffentlich entstehen auch neue: Statistisch wäre das dann kein Problem. Aber in der Praxis wäre es ein Wunder, wenn am gleichen Ort alte durch neue Arbeitsplätze ersetzt werden. Mit dem Begriff Energiewende dürfen keine demokratiefreien Räume entstehen, nur weil man glaubt, Gutes durchsetzen zu wollen.

Verwandte Themen


Keine Kommentare