Nach Wahldebakel: Warum es für Markus Söder trotzdem läuft

6.11.2018, 15:25 Uhr
Ein glücklicher Markus Söder:  Der CSU-Politiker erhielt am Dienstag in der geheimen Abstimmung 110 Ja-Stimmen und 89 Nein-Stimmen bei drei Enthaltungen. Damit ist er wieder zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt worden.

© CHRISTOF STACHE, afp Ein glücklicher Markus Söder: Der CSU-Politiker erhielt am Dienstag in der geheimen Abstimmung 110 Ja-Stimmen und 89 Nein-Stimmen bei drei Enthaltungen. Damit ist er wieder zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt worden.

Für Markus Söder läuft es. Obwohl die CSU mit ihm als Spitzenkandidaten das schlechteste Wahlergebnis seit 68 Jahren eingefahren hat, kann er Regierungschef bleiben, wenn auch in einer Koalition mit den Freien Wählern.

Die machen ihm das Leben bislang nicht sonderlich schwer. Der Koalitionsvertrag liest sich in weiten Teilen wie Söders Regierungsprogramm vom April dieses Jahres. Auch wenn er an einigen Stellen seinem Partner entgegenkommen musste, sind die Abstriche für ihn verschmerzbar. Die CSU muss auf keinen einzigen Punkt tatsächlich verzichten. Ganz egal, ob Reiterstaffel oder das höchst umstrittene Polizeiaufgabengesetz, ob Stromtrassen oder 10H-Regel für Windräder – im Kern bleibt die CSU-Handschrift überdeutlich.

Für die Freien Wähler kann sich das noch zu einem existenziellen Problem auswachsen. Ihr Chef Hubert Aiwanger hat die vergangenen zehn Jahre vor allem davon gelebt, dass er wie ein Schwamm die Anliegen jeder noch so kleinen Gruppe aufnahm und in Anträge ummünzte. Seine Politik war nie konsistent; sie musste es auch nicht sein. Es ist der Vorteil und bis zu einem gewissen Grad das Privileg der Opposition, dass sie fordern kann, ohne sofort die Machbarkeit nachweisen zu müssen.


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Aiwanger allerdings hat dieses Prinzip stets auf die Spitze getrieben. Ihm war völlig egal, ob seine Thesen einem Realitätscheck standhalten könnten. Entscheidend war für ihn die Schlagzeile, und mit ihr die Wählerstimme.

Das wird sich jetzt rächen. Denn die Erwartungen sind hoch, die der Niederbayer geschürt hat. Die Menschen wollen nun erleben, dass die Freien Wähler liefern, etwa bei den Stromtrassen, die Aiwanger verteufelt hat, bei der Energiewende, die er auch ohne die großen Leitungen für problemlos machbar erklärt, bei der Digitalisierung, die er für locker ausbaubar hält, beim Verbraucherschutz, beim Wohnungsbau, bei der Flüchtlingsfrage, beim Münchener Flughafen.

Der Koalitionsvertrag freilich bleibt die Antworten auf jene Fragen schuldig, die die Freien Wähler gestellt haben. Er ist ein Sammelsurium von Allgemeinplätzen und vagen Versprechen. Das wenigste ist tatsächlich hinterlegt, kaum etwas verbindlich festgezurrt. Die CSU kann damit leben. Söder hat sich an seinen eigenen Fahrplan gehalten, lediglich noch etwas grüne Farbe dazu gegossen. Ein Klimaschutzgesetz beispielsweise klingt super, ebenso, dass der Klimaschutz in die Verfassung kommen soll. Doch mehr als Worthülsen sind das bislang nicht. Da müsste sich diese Regierung schon sehr viel klarer positionieren, müsste sie tatsächlich mutige Schritte wagen, die Industrie in die Pflicht nehmen und die Bürger, von denen viele die Grünen gewählt haben – und unter denen viele sind, deren grünes Denken aber schwindet, je unbequemer das Leben dadurch wird.   

Die Freien Wähler rettet das nicht; ihr Scheitern ist im Vertrag angelegt. Die CSU hat ihnen mit Wirtschaft und Umwelt zwei Ministerien aufs Auge gedrückt, die sich ausgerechnet um jene Bereiche kümmern sollen, bei denen Aiwanger den Mund besonders voll genommen hat. Es wird spannend werden, wie er nun selbst die Energiewende voranbringen will, ohne große Trassen. Wie er Glasfasernetze übers Land ziehen will ohne zweistellige Milliardensummen zu investieren. Wie er die Natur retten und die Bauern gleichzeitig befrieden will. Markus Söder wird das aus seinem Büro hoch über dem Münchener Hofgarten in aller Ruhe beobachten. Er hat Zeit, auch über die fünf Jahre hinaus, auf die diese Regierung angelegt ist. Die Freien haben sie nicht.

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