Pannen und Peinliches: Scheuer als Stehaufmännchen der CSU

24.7.2020, 06:00 Uhr
Eigentlich ist das Band zwischen dem Passauer CSU-Politiker Andreas Scheuer und seiner Partei längst zerschnitten. Doch der 45-Jährige bekommt immer wieder die Kurve.

© Jörg Carstensen, dpa Eigentlich ist das Band zwischen dem Passauer CSU-Politiker Andreas Scheuer und seiner Partei längst zerschnitten. Doch der 45-Jährige bekommt immer wieder die Kurve.

Es gibt diese Momente zum Fremdschämen, auch für CSUler. Das Video von Andreas "Andi" Scheuer zum Beispiel, wie er im Herbst 2018 im niederbayerischen Waldkirchen die Diskothek Lobo eröffnet, den DJ gibt, auf der Bühne herumspringt und "Partyyyyy" ins Mikrophon brüllt.

Oder jener, als er zugeben muss, dass sein Ministerium die Novelle der Straßenverkehrsordnung versemmelt hat und jetzt Tausende Autofahrer ihren Führerschein wieder bekommen, die ihn zuvor wegen Rasens verloren hatten. Ein Vorgang, den CSU-Chef Markus Söder als "sehr, sehr ärgerlich" einstuft.

Ärgerlich dürfte für Söders Gemütslage noch eine milde Umschreibung sein. Söder habe, sagt ein Münchner Kabinettsmitglied, das ihn gut kennt, "einen hohen Qualitätsanspruch. Für ihn ist das Mindestmaß, dass alles fehlerlos funktioniert. Und die Kür kommt dann oben drauf." Er habe "den Eindruck", sagt der CSU-Mann, "dass er entsprechend unzufrieden mit Scheuer ist."

Ein Stehauf-Männchen

Das Treiben seines Bundesverkehrsministers und Parteifreundes Andreas Scheuer ist dem Nürnberger schon lange ein Dorn im Auge. Scheuers Karriere ist gespickt mit Situationen, die andere den Kopf gekostet hätten. Doch das Stehauf-Männchen der CSU hat sie alle, wenn auch nicht unbeschadet, doch überstanden.

Oft genug hat ihn gerettet, wie er Krisen einfach ausblendet, sie weg lächelt, und so tut, als sei nichts gewesen, dass sie sich in der CSU nicht sicher sind, ob er das am Ende nicht tatsächlich glaubt. Etwa die Geschichte mit seinem Doktor-Titel, den er nie hätte führen dürfen. Und inzwischen auch nicht mehr führt. "Bei anderen", sagt ein langjähriger Wegbegleiter, "ist so eine Affäre das Ende. Bei ihm steht sie am Anfang."


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Das Ende hatte sich im Januar abgezeichnet, im Winteridyll von Kloster Seeon. Bei der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten hatte Markus Söder für den Sommer eine Neuaufstellung der Bundesregierung gefordert. Sie müsse sich inhaltlich und personell so ausrichten, dass sie auf die Wahl im Jahr 2021 vorbereitet sei. Es sollte das Ende von Andreas Scheuer als Verkehrs- und Horst Seehofer als Innenminister bedeuten.

Kein Zeitfenster

Dann kam Corona. Seitdem steigt die Zustimmung für die Bundesregierung, vor allem aber für CDU und CSU. Nicht für Scheuer, der steht im Ranking der Deutschen immer noch weit unten. Und nicht für Seehofer. Doch das Fenster für einen schnellen Wechsel hat sich geschlossen. Söder, heißt es, fürchte die Unruhe, die eine Umbildung jetzt mit sich bringt.

"Der Andi", sagt einer aus dem CSU-Vorstand, "macht es uns nicht leicht. Der schießt einen Bock nach dem anderen." Wenn es irgendwo ein Problem gebe, "wer steckt dahinter – der Scheuer." In der CSU, heißt es, rollen sie nur noch mit den Augen, wenn die Sprache auf den 45-Jährigen kommt. Einzig Landesgruppenchef Alexander Dobrindt halte ihm noch die Treue.

"Aber der braucht ihn bei der Maut als Puffer." Dobrindt hatte in seiner Zeit als Verkehrsminister die Mautpläne vorangetrieben, Scheuer allerdings später die Verträge unterzeichnet, die ihn jetzt in die Bredouille bringen. Ein Untersuchungsausschuss arbeitet sich im Bundestag gerade daran ab.

In der CSU erzählen sie sich Geschichten, wie Vorständler den Minister gewarnt hatten, er solle den Ausschuss ernst nehmen und sich durch die Akten arbeiten. Und wie er die Ratschläge, wie übrigens so ziemlich jeden in seiner Laufbahn, ausgeschlagen und statt dessen sich über den Ausschuss noch lustig gemacht habe. "Der reißt mit dem Hintern wieder ein, was er vorne aufgebaut hat", stöhnt einer aus der CSU-Spitze.

Scheuers unverwüstliches Selbstbewusstsein, das er auch in den sozialen Medien zeigt, nervt viele in der CSU. Fast noch mehr nervt sie seine Arroganz. Viele führen sie auf seinen Reichtum zurück. Scheuer ist in einer wohlhabenden Familie aufgewachsen; er könnte, flüstern Insider in Passau, jederzeit als Privatier ein luxuriöses Leben führen.


Kommentar: Warum Verkehrsminister Scheuer fehl am Platze ist


Er sei "mit dem goldenen Löffel im Mund aufgewachsen", leite daraus aber für sich die falsche Grundhaltung ab. Wenn das stimmt, ist für einen wie Scheuer die Politik nur ein Hobby und der Verdienst allenfalls ein Taschengeld, mit dem er sich ein paar weitere Oldtimer für seine Sammlung kaufen kann. Das macht unabhängig.

Zu persönlich

Tatsächlich ist die Art, wie er mit politischen Gegnern und Freunden umgeht, intern heftig umstritten. "Daher rühren viele Vorbehalte, die es gegen ihn gibt", sagt einer aus dem CSU-Vorstand. "Das fing schon damit an, wie er als Generalsekretär aufgetreten ist und andere behandelt hat." Hartes Zuschlagen sei okay für einen Generalsekretär. "Aber er hat das immer ins Persönliche gezogen." Das räche sich jetzt. "Wie es in den Wald schallt, so schallt es aus ihm heraus."

Deshalb drehen sie ihm jetzt einen Strick aus dem Desaster beim neuen Bußgeldkatalog und den Fehler im Gesetzestext. Kein Minister, sagt ein Kabinettsmitglied, überprüfe solche Texte auf formale Fragen. "Das ist Beamtenkram" und "ein typischer Beamtenfehler", sagt ein Parteifreund Scheuers.

"Das würde jedem anderen verziehen. Wenn man sich aber so einen Ruf verschafft hat wie er, wird es gehässiger." Zumal Scheuer früh Warnungen in den Wind geschlagen hatte, der Text könne fehlerhaft sein. "Damit wird es zu seinem Thema."

Es ist so, dass Andreas Scheuer in der eigenen Partei wie bei den Wählern keinen Rückhalt mehr besitzt. Und doch ist er noch immer im Amt. Wenn überhaupt, könnte sich das erst ändern, wenn die CDU einen neuen Vorsitzenden gewählt und CDU und CSU sich auf einen Kanzlerkandidaten geeinigt haben.

Also frühestens zum Jahreswechsel. "Der Neue hätte dann theoretisch den Freiraum für eine Kabinettsumbildung", sagt ein Spitzenfunktionär. "Nur, wahrscheinlich ist das nicht." Und Scheuer käme davon, wieder einmal.

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