Putins Verfassungsreform beseitigt auch die Reste von Demokratie

11.3.2020, 12:29 Uhr
Im Eiltempo zieht das russische Parlament die größte Verfassungsänderung in der Geschichte des Landes durch. So soll Präsident Putin weiter an der Macht bleiben können.

© KIRILL KUDRYAVTSEV, afp Im Eiltempo zieht das russische Parlament die größte Verfassungsänderung in der Geschichte des Landes durch. So soll Präsident Putin weiter an der Macht bleiben können.

Putin und seine Leute haben lange getüftelt, wie denn eine Verfassungsreform aussehen könnte, die das ermöglicht, worum es ausschließlich ging: den Präsidenten weiter am Hebel der Macht zu halten, obwohl dies rechtlich ausgeschlossen schien.

Es waren verschiedene Modelle diskutiert worden. So war ein neuer, sehr mächtiger Staatsrat im Gespräch, den Putin hätte leiten können. Doch das war wohl nicht attraktiv genug. Ein anderes Modell sah vor, das Amt des Ministerpräsidenten mit einer solchen Machtfülle auszustatten, dass er – und nicht mehr der Präsident – der eigentliche Chef wäre. Ähnlich lief das bereits 2008, als der damalige Regierungschef Dmitri Medwedew für vier Jahre das Präsidentenamt übernahm, weil Putin schon damals seine Amtszeit ausgeschöpft hatte. De facto blieb er so weiter Chef, obwohl sein Zögling formal das höhere Amt innehatte.

Putins Amtszeit soll auf null gesetzt werden

Diese Optik wollte Putin diesmal offenkundig vermeiden. Und so wird das Präsidentenamt noch ungleich machtvoller ausgestattet, als es dies ohnehin schon war. Das allein hätte aber nicht ausgereicht, um Putins ewige Herrschaft zu ermöglichen, und so ließ man sich eine zusätzliche Volte einfallen: Der Abgeordneten und Ex-Kosmonautin Valentina Tereschkowa blieb es vorbehalten, den Vorschlag zu machen, dass die bisherigen Amtszeiten des Präsidenten auf null gesetzt werden sollten. Dann könne er noch einmal antreten. Wozu braucht es da noch politisches Kabarett, wenn die Mächtigen solch schöne Stücke aufführen?

Wie es der Zufall wollte, hatte Putin gerade Zeit, um sofort in der Duma Rede und Antwort zu stehen. Um die Farce komplett zu machen, nahm der Präsident den "Vorschlag" aber nicht einfach an. Er forderte, dass selbstverständlich das Verfassungsgericht dem erst noch zustimmen müsse. Denn eigentlich, beteuerte Putin, hält auch er eine Begrenzung auf zwei Amtszeiten für richtig. Herrlich!

Bleibt Putin bis 2036 im Amt?

Natürlich dürfen auch die Bürger noch über die neue Verfassung abstimmen. Selbst ohne Betrug hätte Putin vermutlich keine Probleme, eine Mehrheit dafür zu erhalten. Es wird also so kommen. Der frühere KGB-Mann kann, so er so alt wird, vermutlich bis 2036 im Amt bleiben. Er wäre dann 84. Putin auf ewig.

 

Die Autokraten dieser Welt scheinen voneinander zu lernen. Putin könnte sich hier sogar etwas vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan abgeschaut haben. Auch der hat in einer neuen Verfassung eine Machtfülle festschreiben lassen, die fast absolut ist. Der Kremlchef lässt sich nicht nur eine Immunität für die gesamte Amtszeit zusichern, sondern auf Lebenszeit. Das korrupte System, an dessen Spitze er steht, soll also auf ewig bestehen. Die Schäden, die eine solche Entkernung des Rechtssystems mit sich bringt, werden das Land irgendwann einholen. Spätestens, wenn Putin nicht mehr lebt.


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