Recherche am Dienst-PC: Diese Polizei-Abfragen sind illegal

29.7.2020, 06:00 Uhr
Recherche am Dienst-PC: Diese Polizei-Abfragen sind illegal

© Foto: Axel Heimken/dpa

Dieses Thema kocht derzeit besonders hoch, da vor allem Politiker der Grünen und der Linken per Mail Todesdrohungen mit dem Kürzel "NSU 2.0" erhalten hatten – angelehnt an den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), der rechtsradikalen Terrorzelle, die zehn Menschen aus rassistischen Motiven erschossen hatte. Einige der Daten in den Drohmails wurden über Computer der hessischen Polizei abgefragt. Obwohl die ersten Mails schon 2018 verschickt worden waren, hält sich der Erfolg interner Ermittler bis heute in Grenzen. Klar ist: Die hessischen Beamten, von dessen Computern die Daten abgefragt wurden, waren es nachweislich nicht. Wer aber dann?


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In Bayern müssen sich Polizisten nach zehn Minuten mit ihrem Kennwort am PC erneut anmelden, sofern sie ihn in dieser Zeit nicht nutzen. So ist es auch in Hessen. Möglicherweise ist die Zeitspanne aber zu lange. Wer das Dienstzimmer verlässt, bietet anderen Personen die Gelegenheit, Daten missbräuchlich abzufragen. In Zukunft soll in Hessen eine Anmeldung bereits nach drei Minuten wieder nötig sein. Peter Schall, bayerischer Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält von der zeitlichen Verkürzung nicht viel: "In der Praxis hat sich das als störend herausgestellt, wenn sich der Computer zu oft abschaltet: Man telefoniert oder blättert in Akten und darf sich dann immer wieder neu anmelden", sagt er auf Anfrage. Es gebe mittlerweile eine dienstliche Anweisung, den PC selbst zu sperren, sobald man den Raum verlasse.

Disziplinarverfahren droht

Der Zugriff auf polizeiliche Datenbestände kommt in der Bundesrepublik täglich in großem Ausmaß vor: pro Tag eine halbe Million Mal. Polizisten und Polizistinnen können Daten aus Einwohnermeldeämtern, dem Kraftfahrtbundesamt und den Ausländerbehörden abfragen. Teilweise einsehbar sind auch Kriminalakten, hinterlegt sind auch laufende Fahndungen. Aber: "Eine anlasslose Speicherung oder Sammlung von Daten ,auf Vorrat‘ findet explizit nicht statt", heißt es im bayerischen Innenministerium.

Angenommen, eine Frau möchte nach Jahrzehnten ein Klassentreffen organisieren. Sie findet alle Adressen der früheren Mitschülerinnen und Mitschüler heraus, nur bei einem scheitert sie, weil er mehrfach umzog. Darf sie ihren Ehemann, einen Polizisten, bitten, mal im Dienst-PC nachzugucken? Peter Schall antwortet mit einem klaren "Nein". Die Vorschriften gelten in jedem Fall – mag die Abfrage für alle Beteiligten auch noch so angenehm sein. "Ansonsten droht eine Ordnungswidrigkeit oder ein Disziplinarverfahren." Die Ordnungswidrigkeit kostet zwischen 120 und 150 Euro. Der zuständige Polizeipräsident muss sie unterschreiben. Schall: "Mir ist ein Polizist bekannt, der so oft unberechtigt abgefragt hat, dass er insgesamt 1700 Euro Bußgeld zahlen musste."

Doch wie kommt man überhaupt den "Schwarzen Schafen" in der Sicherheitsbehörde auf die Spur? Dann etwa, wenn ein betroffener Bürger bei der Polizei selbst angibt, dass seine Daten missbräuchlich verwendet wurden. So hatte beispielsweise eine junge Frau ihrem neuen Freund vorgehalten, dass dieser bereits polizeilich bekannt ist. Diese Information aber konnte sie nur über eine polizeiliche Abfrage erhalten haben – schnell geriet ihr Vater in Verdacht, der ist Polizist. Da jeder Zugriff eines Beamten oder einer Beamtin auf die Datenbestände protokolliert wird, "kann im Bedarfsfall nachvollzogen werden, wann welche Daten von wem abgerufen wurden", heißt es im Ministerium. Auf diese Weise kam man dem Vater auf die Spur.


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Doch auch der Zufall spielt bei der Suche nach unberechtigten Recherchen eine Rolle. Jede 1000. Abfrage wird abgefangen und dieser nachgegangen. "Der Dienststellenleiter sucht den betreffenden Kollegen auf und fragt nach. Kann der nicht schlüssig erklären, dass die Abfrage im Rahmen einer polizeilichen Arbeit erfolgte, hat er ein Problem", berichtet der GdP-Landesvorsitzende Schall. Übrigens: In Hessen wird jede 200. Abfrage untersucht, in Hamburg jede 500. In Baden-Württemberg wird nach jeder 50. nachgehakt.

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