Verfassungsgericht kippt Brandenburger Paritätsgesetz

23.10.2020, 19:48 Uhr
Markus Möller, Präsident des Brandenburger Verfassungsgerichtes, kommt zur Urteilsverkündung über die Verfassungsbeschwerde gegen das vom Landtag beschlossene Paritätsgesetz. Demnach ist der Gesetzesvorschlag verfassungswidrig.

© Soeren Stache, ZB Markus Möller, Präsident des Brandenburger Verfassungsgerichtes, kommt zur Urteilsverkündung über die Verfassungsbeschwerde gegen das vom Landtag beschlossene Paritätsgesetz. Demnach ist der Gesetzesvorschlag verfassungswidrig.

Bei den Landtagswahlen in Brandenburg ist künftig nicht zwingend vorgeschrieben, dass Männer und Frauen gleichmäßig auf den Landeslisten der Parteien stehen müssen. Brandenburg wäre bundesweit das erste Land mit einem geltenden Paritätsgesetz gewesen. Das Landesverfassungsgericht Brandenburg lehnte jedoch das Gesetz ab und bezeichnete es als verfassungswidrig. Die Entscheidung wurde einstimmig getroffen, wie es in der mündlichen Verkündung hieß.


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Eine verfassungsgemäße Lösung sei noch nicht gefunden, der politische Handlungsbedarf bleibe aber bestehen, kommentierte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws. Die Entscheidung der Verfassungsrichter sei "bitter für alle, die den Gleichstellungsauftrag aus dem Grundgesetz ernst nehmen". Das Vorhaben einer Kommission, die Empfehlungen für eine gesetzliche Regelung erarbeite, sei von der großen Koalition vertagt worden.

Debatte nicht beendet

Auch die SPD im Bundestag sieht weiter Handlungsbedarf - Fraktionsvize Katja Mast verwies ebenfalls auf den Gleichstellungsauftrag im Grundgesetz, wo es heißt: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." Die Debatte hierüber sei mit dem Urteil in Brandenburg "natürlich nicht beendet", sagte Mast.

Die Bundestags-FDP betonte, ein Paritätsgesetz sei der falsche Weg, um mehr Frauen in die Parlamente zu bringen. "Nicht der Gesetzgeber ist in der Pflicht, sondern die Parteien", sagte die frauenpolitische Sprecherin der Fraktion, Nicole Bauer. Es gehe also darum, an Ursachen anzusetzen und nicht nur Symptome zu bekämpfen - etwa über familienfreundliche Formen der Beteiligung.

Verstoß gegen Organisationsfreiheit der Parteien

Das Brandenburger Verfassungsgericht hatte am Freitag das Paritätsgesetz gekippt - wie zuvor schon die Thüringer Verfassungsrichter die dortige Regelung. Es gab damit Klagen der NPD und der AfD recht, die durch das Gesetz die Freiheit der Wahl und die Organisationsfreiheit der Parteien beeinträchtigt sehen. Der Vize-Vorsitzende der AfD im Bundestag, Stephan Brandner, sagte: "Ohne uns würden am laufenden Band verfassungswidrige Gesetze einfach durchgewunken." Es gelte das Prinzip "Qualität statt Quote", da brauchten sich Frauen "nicht zu verstecken".


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Das Gesetz beschränke die Freiheiten der Parteien bei der Aufstellung von Kandidaten und damit die Teilnahme an Wahlen, teilte das Gericht mit. Der Grundsatz der Freiheit der Wahl gelte für Parteien bereits vor der Wahl. Schon bei der Aufstellung der Kandidatenlisten müsse die Offenheit des Willensbildungsprozesses vom Volk bis zu den Staatsorganen gewährleistet werden. Durch ein Paritätsgesetz nähme der Gesetzgeber Einfluss auf die Zusammensetzung der Listen. Zudem könnten Parteien Schwierigkeiten haben, ihre Listen abwechselnd mit einer Frau und einem Mann zu besetzen. Das könnte wiederum Einfluss auf die Chancen der Parteien bei der Wahl haben, so die Richter.

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