Kommentar

Verschlafene Evakuierung Kabuls: Bundesregierung versagt in Afghanistan

16.8.2021, 16:25 Uhr
Ein Transportflugzeug vom Typ Airbus A400M der Luftwaffe hebt vom Fliegerhorst Wunstorf in der Region Hannover Richtung Afghanistan ab.

© Hauke-Christian Dittrich, dpa Ein Transportflugzeug vom Typ Airbus A400M der Luftwaffe hebt vom Fliegerhorst Wunstorf in der Region Hannover Richtung Afghanistan ab.

Es ist das Desaster im Desaster: Afghanistan fällt inklusive seiner Hauptstadt Kabul binnen kürzester Zeit an die Taliban. Und in Berlin dösen die beteiligten Ministerien vor sich hin. Erst an diesem Montagmorgen, also gut eine Woche, nachdem die Taliban ihren rasanten Siegeszug durch Afghanistan begonnen haben, hob in Deutschland endlich, endlich eine Bundeswehr-Maschine ab, um Botschaftsangehörige, Mitarbeiter von deutschen Hilfsorganisationen und Ortskräfte in Sicherheit zu bringen.

Es grenzt an Arbeitsverweigerung, wenn nicht sogar an kollektives Regierungsversagen, dass Außen-, Verteidigungs- und auch Innenministerium nicht schon früher aktiv wurden oder wenigstens Notfallpläne hatten. Denn dass Afghanistan mit dem Abzug der internationalen Truppen schwierigen Zeiten entgegensteuern würde, war allen klar. Und selbst wenn man sich auf die Prognosen der amerikanischen Geheimdienste verlassen haben sollte, dass die afghanische Regierung wenigstens noch 30 bis 90 Tage durchhalten würde, hätte man Evakuierungspläne in den Schubladen haben müssen.

Doch Außenminister Maas (SPD) und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer (CDU) schieben sich lieber gegenseitig die Verantwortung für den verschleppten Kriseneinsatz zu - und geben dabei ein ebenso jämmerliches Bild ab wie Innenminister Horst Seehofer (CSU). Er hätte schon vor Wochen der Aufnahme von afghanischen Ortskräften zustimmen können und müssen.

Denn ohne diese geschätzt rund 10000 Menschen (inklusive Angehörigen) wäre der Einsatz der Bundeswehr, deutscher Hilfsorganisationen und Medien am Hindukusch in den vergangenen zwei Jahrzehnten nie möglich gewesen. Natürlich hat Deutschland eine moralische Verpflichtung, diesen Menschen, die von den Taliban mit dem Tod bedroht werden, jetzt in höchster Not zu helfen.

Zögern und Zaudern

Doch die deutsche Politik zögerte und zauderte, diese Selbstverständlichkeit anzuerkennen, aus Angst, im Wahlkampf mal wieder die unselige deutsche Überfremdungsdebatte führen zu müssen. Dass diese Menschen jetzt auch noch schnellsten außer Landes gebracht werden müssen, obwohl dafür wochenlang Zeit gewesen wäre, macht den Evakuierungseinsatz nicht einfacher.

Taliban-Kämpfer stehen vor dem internationalen Flughafen in Kabul Wache.

Taliban-Kämpfer stehen vor dem internationalen Flughafen in Kabul Wache. © -, dpa

Denn in Kramp-Karrenbauers Verteidigungsministerium träumte man lieber von den gut ausgebildeten und kampfbereiten afghanischen Sicherheitskräften - statt schon mal in Usbekistan Flugzeuge für die Luftbrücke nach Kabul bereitzustellen.

Und Außenminister Maas schenkte den Warnungen seiner eigenen Leute in Kabul, dass da "etwas schiefgehen" könnte, was "vermeidbar" gewesen wäre, laut ARD lange keine Beachtung.

Hoffen, wir dass nicht noch mehr schiefgeht, dass die Flugzeuge rechtzeitig vor Ort sind - und Kabul nicht zu einer Todesfalle wird.

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