Wahlen im Osten: Es ist an der Zeit für Zusammenhalt

1.9.2019, 18:17 Uhr
Michael Kretschmer hat einen Regierungsauftrag. Der Weg dahin, dass er Ministerpräsident bleiben kann, ist aber kompliziert.

© Robert Michael/dpa Michael Kretschmer hat einen Regierungsauftrag. Der Weg dahin, dass er Ministerpräsident bleiben kann, ist aber kompliziert.

Alle schauen auf die AfD. Ein bisschen wie das Kaninchen auf die Schlange, mit Angst vor dem Erfolg der Rechtspopulisten, die aktuell in den neuen Bundesländern beinahe eine ostdeutsche Volkspartei sind und der Linken den Rang abgelaufen haben. Angesichts von Ergebnisse mit deutlich über 20, in Sachsen sogar über 25 Prozent darf man es sich auch nicht so leicht machen, die Wähler der AfD pauschal als rechts einzustufen. Rechts bis rechtsextrem sind allerdings etliche AfD-Funktionäre wie etwa ihr Brandenburger Spitzenkandidat Andreas Kalbitz. Und so lange die Partei da sehr viel an Grenzüberschreitungen hin zu nationalistischen, rechtsradikalen Tendenzen zulässt, kann sie nie und nimmer ein Regierungspartner sein.


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Festzuhalten ist aber: Es stimmten eben um die 75 Prozent der Wähler, in Brandenburg noch mehr, gerade nicht für die vermeintliche Alternative für Deutschland. Eine sehr große Mehrheit votierte für jene Parteien, die sich übereinstimmend gegen die Grundtendenzen der AfD stemmen. Und die wären: Rückabwicklung etlicher demokratischer, rechtsstaatlicher, liberaler Errungenschaften der vergangenen Jahre. Die Partei von Gauland, Höcke oder des brandenburgischen Landeschefs Kalbitz samt dessen rechtsextremer Vergangenheit will zurück in eine angeblich bessere Vergangenheit. Mit geschlossenen Grenzen, mit einer Sozialpolitik, die zwischen Deutschen und Migranten unterscheiden will, mit einer Art Säuberung in Kultur und Medien, mit nationaler bis nationalistischer Politik und Ausgrenzung, mit einem Weniger an Toleranz, Offenheit und Gleichberechtigung im Lande, mit einer Politik, die den Klimawandel leugnet.

Rot-Rot-Grün oder ein "mittiges" Bündnis?

All das wollen weder CDU noch Grüne noch SPD noch Linke oder FDP. Deshalb haben es die "etablierten" Parteien nun in der Hand, ungewöhnliche neue Bündnisse zu schmieden. Sie sind dazu gezwungen. Denn Zweier-Koalitionen reichen jedenfalls in Brandenburg nicht aus für eine stabile Mehrheit. Also Rot-Rot-Grün nach Berlin, Thüringen und Bremen auch in Brandenburg? Oder doch ein "mittigeres" Bündnis aus SPD, CDU und Grünen, wie es auch in Sachsen (unter Führung der Union) machbar wäre? Wir werden da spannende Sondierungen erleben.

Klar ist: Die meisten Wähler wollen, dass die bisher Regierenden - Michael Kretschmer (CD) in Sachsen und Dietmar Woidke (SPD) in Brandenburg - weiter regieren; ihre angeschlagenen Parteien konnten sich, deutlich abgestraft, als stärkste Kraft behaupten. Auch wegen der deutlich gestiegenen Wahlbeteiligung, die ein rundweg erfreuliches Ergebnis dieses Wahl-Sonntags ist: Die Menschen interessieren sich, auch aufgrund der intensiven, teils erbitterten Debatten gerade in den ostdeutschen Ländern, wieder mehr für Politik - und gehen zur Wahl.

Die AfD wird insgeheim sogar froh sein, nicht regieren zu müssen. Dann würde rasch sichtbar, dass ihre Konzepte dem Realitätstest nicht standhalten. Und vor allem: Dann könnte sie ihren Status als Anti-Partei, als Sammelbecken der Enttäuschten, Verunsicherten und Empörten, nämlich nicht beibehalten. Bisher schürt sie Sorgen und Ängste, facht Verdruss und Wut an. Nichts leichter als das. Ernsthafte, seriöse Politik ist viel, viel schwieriger. Und nun erst recht gefordert von allen anderen Parteien.

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