Coronavirus: Roche kann 100 Millionen Tests im Monat herstellen

4.5.2020, 16:22 Uhr
Das schweizer Pharma-Unternehmen Roche bietet ein Verfahren, mit dem sich bei jeder Person Corona-Antikörper nachweisen lassen können.

© MANUEL GEISSER via www.imago-images.de, imago images/Geisser Das schweizer Pharma-Unternehmen Roche bietet ein Verfahren, mit dem sich bei jeder Person Corona-Antikörper nachweisen lassen können.

Es ist ein kurzer Stich in die Vene, ein bisschen Blut muss in die Ampulle. Wenig später herrscht Gewissheit: Spricht die Probe an, finden sich Antikörper auf das Coronavirus SARS-CoV-2 im Körper. Die Antikörper belegen, dass die Betroffenen sich schon einmal infiziert hatten mit dem Virus. Und jetzt immun sind dagegen, weder sich noch andere damit anstecken können. Eine Information, die für sie selbst wichtig ist. Aber auch für die Behörden, die abschätzen müssen, wie weit sich das Virus schon in der Bevökerung verbreitet hat. Denn auch davon hängt ab, wie es weitergehen wird mit dem Lockdown, den Pandemie-bedingten Einschränkungen.


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Weltweit forschen etliche Pharma-Unternehmen an einem solchen Test. Einige haben bereits entsprechende Sets auf den Markt geworfen; doch in der Regel gelten sie als wenig zuverlässig, weil ihre Trefferquoten zu sehr schwanken. Die deutsche Tochter des Schweizer Pharmariesen Roche hat nun nach eigenen Angaben den Durchbruch geschafft. Im oberbayerischen Penzberg hat sie einen Test entwickelt, der zu hundert Prozent auf das Coronavirus anspricht und es mit 99,81-prozentiger Sicherheit auch als SARS-CoV-2 identifiziert. Das gehört zur großen Gruppe der Coronaviren; der Test kann es von seinen Verwandten unterscheiden. Das sei "ein neues Qualitätsniveau", sagt Christoph Franz, Präsident des Roche-Verwaltungsrates.

Franz ist vom Schweizer Hauptsitz eigens nach Penzberg gereist; ihm zur Seite stehen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Beide wollen mit ihrer Anwesenheit unterstreichen, wie wichtig der Erfolg ist, den Söder nicht als "regionales Ereignnis, sondern als internationalen Schritt nach vorne" bezeichnet. Schon jetzt hat das Utnernehmen der Münchner Ludwig-Maximilian-Universität 50 000 Tests übergeben. Die LMU erforscht gerade, wie weit das Virus in der Münchner Bevölkerung bereits verbreitet war. Drei Millionen Tests gehen noch in diesem Monat an deutsche Labore; für alle Monate danach garantiert Roche eine deutsche Liefermenge von mindestens fünf Millionen Tests monatlich. Bis zu hundert Millionen Tesstpakete kann das Unternehmen schon jetzt im Monat produzieren; es wird sie in alle Welt liefern, zu einem Preis, der überall gleich sein wird.


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Das ist die politische Botschaft, die auch Jens Spahn wichtig ist: "Wir forschen nicht nur für Deutschland, sondern für die Welt." Die Bundesrepublik bemüht sich um einen fairen Umgang, um Solidarität. "Ich erlebe mit anderen Unternehmen und Regionen da schon anderes", sagt der Bundesgesundheitsminister, der zwar keine Namen nennt, aber damit auch auf die USA und ihren Präsidenten Donald Trump anspielt. Trump setzt darauf, dass er notfalls auch Firmen aufkauft, die Tests oder später einen Impfstoff anbieten, und ihre Produktion komplett in die USA lenkt.

Roche und die Bundesrepublik tun das nicht. Der Preis des Tests sei so kalkuliert, sagt Christoph Franz, dass ihn auch jene begleichen können, deren Kassen die Kosten vorerst nicht übernehmen. Der Bund will zwar die Gesetze entsprechend ändern; doch das wird noch etwas dauern. Wie hart umkämpft der Markt ist, zeigt auch der Einsatz, den Roche gefahren ist. Über Wochen waren die Penzberger Labors rund um die Uhr besetzt, forschten die Mitarbeiter selbst an Ostern weiter, damit sich Roche den Vorsprung auf dem Weltmarkt sichern konnte. Das lässt sich die Holding einiges kosten. Mehr als 400 MIllionen Euro will es in den kommenden Jahren in den Standort Penzberg investieren in biochemische Produktionsanlagen ebenso wie in neue Forschungseinrichtungen.

Ministerpräsident Markus Söder kündigt an, dass der Freistaat seinen Teil dazu beitragen werde. 40 Millionen Euro stellt das Land bereit für ein Forschungszentrum in Penzberg, das sich auf die Infektions- und Pandemieforschung konzentrieren soll mit Roche als Partner. Corona werde nicht die einzige Pandemie bleiben, sagt Söder. Deshalb sei es wichtig, dass Land und Bund alles dafür tun, dass auch die Pharma-Unternehmen im Land bleiben und hier forschen und entwickeln.

Mit den neuen Tests können Wissenschaftler nun nicht nur ermitteln, wie tief das Virus schon in die Bevölkerung eingedrungen ist. Mediziner können auch Mitarbeitern etwa in Kliniken oder Alten- und Pflegeheimen sagen, ob sie dort weiter arbeiten können und wie sehr sie sich und damit andere schützen müssen. Nach bisherigen Erkenntnissen überstehen vier von fünf Infizierten die Ansteckung, ohne dass sie überhaupt Symptome entwickeln. Die Diskussion um einen Immunitätspass will Bundesgesundheitsminister Spahn an diesem Tag allerdings nicht befeuern. Er wundere sich "etwas über die Debatte", sagt er. Wer wolle, könne jeden Immunitätsnachweis in seinen Impfpass eintragen lassen, etwa bei Masern. "Was daraus folgt, ist dann Sache der Bürger." Ein Immunitätspass ist politisch umstritten. Die Sorge ist groß, dass er die Gesellschaft in zwei Klassen teilt und dafür sorgt, dass sich Menschen vorsätzlich infizieren, damit sie die Vorteile eines solchen Passes nutzen können.

Auch Spahn plädiert dafür, dass die Bundesrepublik ihre Forschungskapazitäten ebenso ausbaut wie die Produktionskapazitäten auf dem Medizinmarkt. "Wir müssen das wieder verstärken", sagt der CDU-Politiker. "Wir haben sehr schmerzhaft erlebt, dass wir uns zu sehr abhängig gemacht haben von einer Region oder einem Land." Das müsse sich nun ändern.

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