Debatte um Waldumbau: Zuviel Streit um den Rehwildabschuss?

21.10.2020, 13:21 Uhr
Sven Finnberg, der langjährige Stadtförster von Bad Windsheim, hält nichts von festen Abschussplänen für das Rehwild.

© Arno Stoffels Sven Finnberg, der langjährige Stadtförster von Bad Windsheim, hält nichts von festen Abschussplänen für das Rehwild.

Eicheln, mehr als genug. 160 Kilo in eineinhalb Stunden haben die Mitarbeiter der Baumschule schon eingesammelt, am Ende werden es viele Zentner mehr sein und Sven Finnberg ist zufrieden. Denn der Segen, der in diesem Jahr so reichlich herabregnet, ist wichtig für den Umbau des Waldes.

Wie nötig der ist, weiß der Stadtförster von Bad Windsheim nur zu gut. Er ist für rund 1500 Hektar zuständig und in einigen Distrikten wie bei Lenkersheim haben Hitze und Dürre der letzten Jahre gewütet. „Hier hatten wir mal 30 Hektar Fichten, die sind weg“, sagt Finnberg.

Die Baumart sei hier „an die Grenze ihrer physiologischen Fähigkeiten gekommen“ und werde verschwinden. Schneller als gedacht und mit gravierenden Folgen für den Waldbau. „Wir kommen jetzt in Bereiche, wo wir keine Erfahrungswerte mehr haben“, sagt Finnberg.

Mit anderen Worten: Hier und anderswo müssen Wege bei der Umwandlung der immer noch weit verbreiteten Nadelbaumkulturen in Mischwälder mit Eichen und anderen Laubbaumarten beschritten werden, von denen jetzt noch niemand sagen kann, ob sie wirklich zum Ziel führen. Und alle entstehenden Freiflächen können ohnehin nicht neu bepflanzt werden. „283 000 Hektar müssen in ganz Deutschland neu bestockt werden“, so Finnberg.

Holzpreise im Keller

Dafür aber gebe es schlicht nicht genügend Setzlinge, fehle das Personal und auch das Geld. Zumal die Holzpreise, vor allem für die Fichte, aufgrund der vollen Lager im Keller sind, was Privateigentümer ebenso trifft wie den Freistaat oder Kommunen. „Wir müssen den Realitäten ins Auge sehen“, so Finnberg. Dazu gehört für ihn auch die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass Neuanpflanzungen überleben.

Vieles mache den jungen Bäumen zu schaffen, sagt Finnberg. Spätfrost etwa richte heutzutage viel Schaden an, weil aufgrund milder Winter und warmer Frühjahre die Triebe schon weit entwickelt sind. Dazu kommt der Hitzestress im Sommer. Und dann ist da noch der Verbiss durch die Rehe, denen es Finnbergs Meinung nach ziemlich gut geht.


Anwohner sind entsetzt: Kahlschlag im Büchenbacher Forst


Notzeiten wie früher, in denen das Schalenwild durch starken Frost und eine geschlossene Schneedecke im Winter nur noch wenig Nahrung fanden, gebe es durch den Klimawandel praktisch nicht mehr. Es überleben mehr Kitze, wobei Finnberg niemand ist, der in diesem Zusammenhang pauschal einen höheren Abschuss fordert. Fest steht für ihn aber, dass es sehr viele Rehe gibt.

Wie groß die Population tatsächlich ist, wissen weder er noch andere Experten. Die Bestände schwanken von Gebiet zu Gebiet. Aber auch wenn sich manch ein Jäger vor Ort damit hart tue, den Abschuss zu erfüllen, „heißt das nicht, dass keine da sind.“

Weite Wanderungen

Zumal die Rehe zwar im Allgemeinen für ihre Standorttreue bekannt sind, sie aber doch weite Wanderungen unternehmen, wie ein Forschungsprojekt im Nationalpark Bayerischer Wald ergeben hat. Dort hat sich auch gezeigt, dass eine Rücknahme der Bejagung nicht automatisch zu einer Zunahme des Verbisses geführt hat. Vor allem, weil sich nach dem Absterben von Fichten durch Borkenkäferbefall auf entstandenen Freiflächen eine üppige Bodenvegetation und damit zusätzliches Nahrungsangebot entwickelt hat.

Rund 260 Stück Rehwild werden auf den 1500 Hektar des Bad Windsheimer Forsts jährlich erlegt, die meisten bei Bewegungsjagden. Alleine vom Hochsitz aus wäre das nie möglich, sagt Finnberg. Aber die Zahl der geschossenen Tiere lässt in seinen Augen keinen Rückschluss auf den tatsächlichen Bestand beziehungsweise den jagdlich nutzbaren Anteil der Population zu.


Wald unter Stress: Rehe müssen geschossen werden


Deshalb plädiert er vor allem für eine Abschaffung der Abschusspläne in Bayern, mit denen bislang amtlich überprüft festgesetzt wird, wie viele Rehe gestaffelt nach Geschlecht und Alter erlegt werden müssen. „Mit den Abschussplänen machen wir uns etwas vor“, sagt Finnberg.

Mehr Eigenverantwortung vor Ort

Stattdessen solle es den Waldbesitzern und Jägern vor Ort beispielsweise aufgrund von Vegetationsgutachten eigenverantwortlich überlassen werden, den Abschuss ohne feste Schranken festzulegen. "Die Untere Jagdbehörde kann das nicht richten", sagt Finnberg.

So steht es auch in einem Entwurf zur Novellierung des Bundesjagdgesetzes, der seit Monaten für erhitzte Gemüter sorgt. Der Bayerische Jagdverband (BJV) sieht so das Rehwild in die Position von Schädlingen gerückt und warnt davor, dass ein „Waldumbau mit der Büchse“ nicht funktioniere. Waldbesitzer und Bund Naturschutz begrüßen hingegen grundsätzlich, dass künftig generell mehr Rehe geschossen werden sollen, fordern aber weiterhin behördlich festgelegte Mindestabschusspläne.

Wichtig sei vor allem, die Diskussion künftig sachlicher zu führen, meint Finnberg. Wie es für ihn überhaupt dem ganzen Thema Jagd gut täte, wenn dabei weniger Emotionen mitschwingen würden.

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