Erlanger Cinestar: Worum es beim Streik geht

9.4.2019, 06:00 Uhr
Erlanger Cinestar: Worum es beim Streik geht

Bernd Winkler arbeitet in einem kirchlichen Jugendtreff und im Cinestar. Im Kino ist er "hängengeblieben", sagt der 38-Jährige. Während einer Weiterbildung begann er 2002 in dem Lichtspielhaus zu jobben, die Fortbildung ist schon lange vorbei — und doch ist er neben seiner hauptamtlichen Tätigkeit noch immer auf 450-Euro-Basis im Service tätig.

Denn Arbeit, Ambiente und Atmosphäre stimmen, aber nicht die Bedingungen und die Bezahlung, erläutert der Betriebsrat und Gewerkschafter Winkler im Gespräch mit den Erlanger Nachrichten.

"Erlangen ist aber eine teure Stadt"

Eine Servicekraft (bis zwei Jahre) verdient derzeit in Erlangen laut Tarifvertrag in der Stunde 9,18 Euro, ab zwei Jahren 9,46 Euro und ab sechs Jahren 9,51 Euro. Die Gehälter sind bei Cinestar nicht nur nach Beschäftigungsdauer, sondern auch nach dem -ort gestaffelt.

"Erlangen ist aber eine teure Stadt", sagt Winkler, "mit dem Gehalt kommt da keiner über die Runden". Der Arbeitgeber bietet seinen Angestellten auch keinerlei Versicherungsmodelle oder Zuschüsse zu vermögenswirksamen Leistungen. Selbst auf Getränke gibt es keinerlei Vergünstigungen, kritisiert der Arbeitnehmervertreter — und das, obwohl die Mitarbeiter sieben Tage die Woche sowie an Feiertagen bis spät in die Nacht hinein arbeiten.


Erlanger Kino-Beschäftigte legen Arbeit nieder


Auch die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) will das den Beschäftigten nicht länger zumuten und tritt daher in der laufenden Tarifrunde für "existenzsichernde Einkommen" ein. Der aktuelle Verdienst in der Kinobranche, der kaum über dem Mindestlohn von derzeit 9,19 Euro liegt, sei nicht genug, um die teuren Lebenshaltungskosten der vorwiegend teilzeitbeschäftigten Angestellten zu decken. Wer länger in der Branche bleibt, dem droht Altersarmut, warnt ver.di. Daher fordert die Gewerkschaft in der Kinobranche nun einen Einstiegslohn von elf Euro pro Stunde.

Rund 90 Prozent der Beschäftigten des Erlanger Cinestar sind Aushilfen, darunter viele Studierende. "Zur schlechten Bezahlung kommt das Gefühl dazu, für die gute Arbeit nicht ausreichend wertgeschätzt zu werden", erzählt der Betriebsrat. In den vergangenen Jahren habe die Firmenleitung das Personal in dem Haus abgebaut — und die Arbeit damit auf immer weniger Schultern verteilt. Die Folge: Die Unzufriedenheit unter den hiesigen Cinestar-Beschäftigten steigt.

"Der Zuspruch der Bevölkerung war einfach riesig"

Das zeigt sich an der Streikbereitschaft der Mitarbeiter. Dutzende Beschäftigte legten am Besiktas-Platz an zwei Wochenenden im März an vier Tagen die Arbeit nieder.

Was den Gewerkschaftsvertreter und Betriebsrat freut: "Der Zuspruch der Bevölkerung war einfach riesig". Auch auf der Facebook-Seite der Erlanger Nachrichten gab es zu dem Thema nur positive Kommentare. Auf der Straße zeigten sich viele Passanten über die Schilderungen der Streikenden entsetzt, erzählt Winkler.

Erlanger Cinestar: Worum es beim Streik geht

"Als Kinogänger von uns erfahren haben, dass das billigste Sparmenü mit 10,50 Euro teurer ist als unser Stundenlohn, waren sie geschockt". Allein beim Popcorn liege die Gewinnspanne des Unternehmens bei rund 400 Prozent, erklärt Winkler. Etliche Kinobesucher und Passanten hätten sich gewundert, weshalb sie für Kinokarten und Popcorn so viel bezahlen, wenn die Beschäftigten vom Profit nichts spürten.

Auch Winkler kann das nicht verstehen. "Das Kinojahr 2018 war zwar unter anderem durch den heißen Sommer hierzulande wirklich kein gutes Kinojahr", räumt der Betriebsrat ein. Doch in den vergangenen Jahren hätten Kinobetreiber durchaus große Gewinne gemacht.


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Die Arbeitgeberseite sieht das anders. So verweist Cinestar-Geschäftsführer Oliver Fock auf Anfrage auf eine "wirtschaftlich äußerst angespannte Situation". Besucherrückgänge im vergangenen Jahr von fast 15 Prozent gegenüber einem "bereits schwachen" Vorjahr sowie ein "riesiger Investitionsstau" in den Bereichen Technologie und Ausstattung in der gesamten Branche stellten die Kinobetreiber vor "enorme Kraftanstrengungen".

Cinestar nehme seine Arbeitnehmer ernst, betont Fock. Momentan befände man sich in sehr konstruktiven Verhandlungen. Man habe ein Angebot vorgelegt, das "diesen Umständen ausreichend Rechnung trägt und auch die Unterschiedlichkeit unserer Häuser sowie die regionalen Gegebenheiten berücksichtigt", so Fock. "Doch die Ausgangslage ist herausfordernd und die Zahlen der Filmförderungsanstalt sprechen für sich."

Am 15. April steht ein weiterer Gesprächstermin an

Die Gewerkschaft sieht nach der jüngsten Verhandlungsrunde zumindest "Wege für einen tragfähigen Kompromiss", um zu einem Ergebnis zu kommen. Am 15. April steht ein weiterer Gesprächstermin an. Wenn es zu keiner Einigung kommt, könnte wieder gestreikt werden. "Und dann", sagt Bernd Winkler, "ist womöglich das Ostergeschäft betroffen".

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