Erlanger Pflegestation will Virus "draußen" halten

3.4.2020, 06:00 Uhr
Erlanger Pflegestation will Virus

© Oliver Berg/dpa

Sich noch mehr als bisher öffnen, die Kooperationen mit anderen Einrichtungen im Stadtteil intensivieren, auf Kontakte und Begegnungen mit anderen Menschen setzen: Das ist eigentlich das erklärte Ziel des Awo-Sozialzentrums in Büchenbach Nord. Noch im Januar ging es bei einem Pressegespräch genau darum. Jetzt liegen diese Bestrebungen erst einmal auf Eis. Im Gegenteil, die Corona-Pandemie und die staatlich verhängten Verordnungen zwingen das Pflegezentrum dazu, sich abzuschotten.

"Wir haben hier ausschließlich Menschen, die zur Hochrisikogruppe gehören", sagt Einrichtungsleiter Enno de Haan. "Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass das Virus außerhalb unserer Einrichtung bleibt." 178 Pflege- und Schwerstpflegebedürftige leben in dem Heim der Arbeiterwohlfahrt, in dem nicht nur Senioren, sondern auch Patienten untergebracht sind, die an Multipler Sklerose erkrankt sind oder durch schwere Schädel-Hirnschädigungen Intensivpflege benötigen.

Erst vor wenigen Tagen ging die Einrichtung an die Öffentlichkeit mit dem Appell an die Bevölkerung, Mehrwegmundschutz zu nähen und damit die Pflegerinnen und Pfleger zu unterstützen. "Die Mitarbeitenden tragen jetzt alle einen solchen Mundschutz", sagt Enno de Haan. "Es ist unglaublich, wie viele wir nach unserem Aufruf jetzt bekommen."

Absolutes Betretungsverbot

"Im Ausbruchsfall", so schickt er hinterher, "würden wir allerdings die zertifizierten Masken nehmen, um die Bewohner zu schützen." Der Ausbruchsfall, egal ob bei Mitarbeitern oder Bewohnern – das ist im Moment die Horrorvorstellung bei allen Leitern von Pflegeeinrichtungen. Zwar herrscht ein absolutes Betretungsverbot, seit die Staatsregierung am 20. März die Allgemeinverfügung erlassen hat. Und die Bewohner, die das Haus eigentlich zwar weiterhin verlassen dürfen und in der Lage dazu wären, nehmen davon Abstand. Auch bei den Heimleitungen tut man alles derzeit, um sich abzustimmen und gewappnet zu sein. Zum Arbeitsalltag in Zeiten von Corona gehört für Enno de Haan die tägliche Telefonkonferenz mit allen Pflegediensteinrichtungen innerhalb des Awo-Bezirksverbands Ober- und Mittelfranken. Und auch das tägliche Gespräch mit der Hygienekommission. Und: "Ich informiere jeden Abend alle Mitarbeiter über neue Maßnahmen."

Ungeheure Druck, große Ängste

Natürlich weiß der Einrichtungsleiter, welch ungeheurem Druck und welchen Ängsten Bewohner und Angehörige derzeit ausgesetzt sind. Eine Frau hat ihren pflegebedürftigen Mann zu sich nach Hause geholt, weil sie sich und ihm die Trennung auf unbestimmte Zeit nicht antun will. Der Platz im Heim wird für ihn freigehalten. Enno de Haan weiß auch, dass es Bewohner gibt, die darunter leiden, dass sie keinen Besuch mehr von ihren Angehörigen bekommen können. "Wir haben Telefone eingekauft", sagt er. Manche Bewohner hatten bisher schon Telefon, andere nicht, die Anschlüsse sind aber vorhanden. Telefonieren ist für manche der Bewohner schwierig, insbesondere bei einer fortgeschrittenen Demenz. Dennoch: "Der Kontakt über die Stimme ist sehr wichtig", sagt Enno de Haan.

Sieben Bewohner in Quarantäne

Sieben Bewohner sind derzeit in Quarantäne. Drei von ihnen hatten Erkältungssymptome. Einen Coronatestabstrich haben die Hausärzte nicht gemacht, konnten aber Entwarnung geben, nachdem das verordnete Antibiotikum angeschlagen hat. Ein bakterieller Infekt – eine solche Diagnose ist eine Erleichterung in dieser Zeit.

Vier weitere Bewohner in zweiwöchiger Quarantäne sind Rückkehrer aus dem Krankenhaus. Sie wurden zurückgeschickt, ohne dort zuvor auf Corona getestet zu werden. "Das Heim will jetzt alle Krankenhäuser anschreiben und darauf drängen, dass ein Coronatest gemacht wird, bevor Patienten wieder zu uns zurückgeschickt werden. Denn wir stoßen an unsere Quarantänegrenzen", sagt Enno de Haan. Man hoffe sehr auf diese Form der Unterstützung.

Hilfe durchs Gesundheitsamt erhofft

Und auch auf Hilfe durch das Gesundheitsamt. "Darauf sind wir bei Problemfällen angewiesen", betont der Einrichtungsleiter. "Aber wir erreichen es momentan gar nicht." Der Weg der Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz von Bewohnern und Mitarbeitern werde dem Heim nicht aufgezeigt. "Wir fühlen uns ein Stück weit allein gelassen." Es sei aber "wichtig, dass übergeordnete Stellen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen für unser Klientel", sagt Enno de Haan. "Es wäre sehr bedauerlich, wenn der Schulterschluss erst nach einer Infektion stattfindet."


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