So denken die Erlanger über den Sturm aufs Kapitol

7.1.2021, 17:02 Uhr
So denken die Erlanger über den Sturm aufs Kapitol

© Foto: Saul Loeb/afp

"Was wir in den Tagesthemen gesehen haben, war entsetzlich. Ich habe meiner Tochter, die in der deutschen Botschaft in Washington arbeitet, vor dem Schlafengehen eine Nachricht geschickt und am Morgen eine erleichternde Zeile zurückerhalten: ,Wir sind sicher.‘

Es ist ein furchtbarer Angriff auf die Demokratie – den wir am Reichstag auch schon erlebten. Glücklicherweise nicht mit so viel Radikalität und Gewalt. Daher ist es wichtig, dass alle aufrechten Demokraten das nicht hinnehmen. Es muss hart bestraft werden. Und wir müssen in Deutschland wachsam bleiben. Auch aus unserer Partnerstadt Riverside erzählt man mir immer wieder, dass es teils nicht einmal mehr innerhalb der Familie möglich ist, sachlich über Politik zu reden. Zu tief sind die Gräben zwischen Trump-Gegnern und Trump-Anhängern mittlerweile." 
Thomas Schöck ist Vorsitzender des Partnerschaftsvereins
Erlangen-Riverside

 

"Nach den Bildern am Mittwoch im Fernseher, konnte ich die ganze Nacht kaum schlafen. Als ich diese schrecklichen Szenen gesehen habe, tat es mir im Herzen weh. Ich bin ja amerikanische Einwanderin, komme aus Korea und lebte in den USA seit meinem zwölften Lebensjahr. Ich wollte die amerikanische Staatsbürgerschaft, weil die Vereinigten Staaten eben auch für Demokratie, Toleranz und Freiheit stehen.

Schockierend seien die Bilder gewesen, die uns über das TV erreichten, von Trump-Fanatikern, die das Kapitol stürmten, sagen die Befragten.

Schockierend seien die Bilder gewesen, die uns über das TV erreichten, von Trump-Fanatikern, die das Kapitol stürmten, sagen die Befragten.

Als ich diese Gewaltszenen mitten in Washington vor dem Kapitol, also im Herzen der Demokratie, auf dem Bildschirm sah, hätte ich heulen können. Wir haben unseren Kindern einmal stolz das Kapitol und das Weiße Haus bei einem Ausflug als Stätte der Demokratie präsentiert — und jetzt das. Das war einerseits unglaublich. Andererseits wissen wir aus den vergangenen vier Jahren nur zu gut: Um eine weitere Amtszeit zu verhindern, hatte ich mich sogar hier in Deutschland für die US-Demokraten eingesetzt.

Ich glaube, dass die Polizei am Mittwoch hätte früher und effektiver eingreifen können, um diesen Gewaltausbruch zu verhindern oder einzudämmen. Wären die Protestierenden, die für mich Terroristen waren, farbig oder homosexuell gewesen, hätte die Polizei wohl früher eingegriffen. Das ist auch eine Frage des strukturellen Rassismus’.

Auf Joe Biden kommt eine große Aufgabe zu: Er muss die gespaltene Nation versöhnen. Aber ich bleibe optimistisch: Am gleichen Tag, als in Washington der Mob tobte, war klar: Die Demokraten sichern sich mit Siegen bei zwei Stichwahlen in Georgia auch die Kontrolle im Senat. Das gibt mir Hoffnung."
Die Amerikanerin Sahee Chang (51) lebt mit ihrer Familie in Kraftshof. Ihre Kinder besuchen die Franconian International School in Erlangen. 

"So schlimm das alles ist, so muss man, glaube ich, die Umstände versuchen zu verstehen, die die Menschen überhaupt dazu treibt, so etwas zu tun. Es herrscht bei manchen der Glaube, dass die Reichen und Mächtigen entscheiden, so wie es ihnen recht ist – unabhängig davon, was das Volk will. Das hat diese Menschen schon bei der ersten Wahl zu Trump getrieben. Dort kam es dazu, dass das verhasste System durch Unachtsamkeit die Wahl verloren hat. Ein zweites Mal hätten nun die Reichen und Mächtigen um jeden Preis diesen Fehler zu verhindern gewusst. Ganz zum Schluss gibt es noch Corona, den Virus, den viele nur als weitere Maßnahme des Establishments zum Machtmissbrauch sehen. Das ist ein gefährliches Gemisch, das nun zum Gewaltausbruch geführt hat. Die Kernaufgabe wird es, diesen Menschen das Vertrauen in die Politik zurückzugeben. Ich glaube aber nicht, dass Biden das gelingen wird: 74 Millionen wählten Trump und viele, heißt es, gaben nur Biden ihre Stimme, um gegen Trump zu wählen. Das zeigt, wie zerrissen das Volk ist."

George W. Mills stammt aus Pennsylvania und lebt als Rentner in Erlangen.

 

"Als ich die Bilder aus Washington gesehen habe, dachte ich im ersten Moment: wie schrecklich. Danach aber habe ich mich daran erinnert, dass Ausschreitungen in den USA immer auch Veränderung bedeutet haben. Und das wird jetzt wieder so sein: Donald Trump ist nur noch ein paar Tage im Amt, dann wird es unter Joe Biden endlich wieder die Werte geben, für die die USA eben auch stehen: Toleranz, Freiheit und Demokratie. Die Menschen, die das Kapitol erstürmt haben, sind meist schlecht ausgebildet und haben keine guten Jobs. Ihre Perspektiven sind schlecht. Das hat Trump ausgenutzt und sie aufgehetzt, diese Menschen tun mir leid, aber was sie gemacht haben, ist schrecklich. Ich glaube aber, dass Joe Biden nun für Ruhe und Versöhnung sorgt. Der erste schwarze Senator im konservativen Südstaaten-Georgia ist ein großer Schritt dahin."
Lois Bromfield, US-Comedian und Drehbuchautorin, lebt in Höchstadt.


"Als der erste Einspruch zum Wahlergebnis in Arizona kam, habe ich mit einem Kollegen noch gescherzt, wie lang der Prozess wohl dauern wird. Er tippte auf drei, ich auf elf Tage. Dann schlug die Stimmung um, als Mike Pence in Sicherheit gebracht und die Kammern evakuiert wurden. Wir saßen lange fassungslos vor dem Fernseher, haben Freunden und Familie in Deutschland geantwortet, die sich fragen, ob das eine Fernsehserie oder Realität ist. Um vier Uhr früh war ich kurz wach und habe gesehen, dass Biden als Präsident bestätigt worden war. Ich frage mich aber, wie es weitergehen wird, wenn Trump weiter seine Anhänger aufpeitscht."
Angelika Sharma kommt aus Erlangen. Seit 2015 lebt sie mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter in New York.

 

"Ob ich diese Gewalt in Washington für möglich gehalten habe? Ja, das habe ich. Mit der Rhetorik, mit der Trump die Massen aufgestachelt hat, war das abzusehen. In Deutschland weiß man nur zu gut, wo so eine Hetze schlimmstenfalls hinführen kann. Es gab in den USA in der Vergangenheit Situationen, in denen Trumps Anhänger versucht haben, solche Aktionen zu starten. Am Mittwoch hat Trump die Leute endgültig zur Gewalt aufgerufen. Ich glaube, seine größte Angst ist nun, dass er bedeutungslos wird – und das wird er werden. Sobald die Inauguration vorbei ist, wird er irrelevant sein. Er wird versuchen, immer wieder in die Nachrichten zu kommen, aber er wird keine Macht mehr haben. Er wird an Sichtbarkeit verlieren. Twitter hat ihn ja bereits vorübergehend gesperrt." 
Die Amerikanerin Laura Baxter ist Opernsängerin und lebt in Erlangen.

 

 

Verwandte Themen


Keine Kommentare