Wo sollen Erlanger Flüchtlinge langfristig wohnen?

30.8.2016, 06:00 Uhr
Wo sollen Erlanger Flüchtlinge langfristig wohnen?

© Fotos: Ulrich Schuster/André De Geare

Der Kalender von 2015 hängt noch in Gabriele Schöners Büro. Die Leiterin der Abteilung Grundsicherung und weitere Hilfen bei der Stadt Erlangen hatte Ende August begonnen, in die einzelnen Wochenspalten Ziffern einzutragen: um einen Überblick über neu eintreffende Flüchtlinge zu erhalten. Die Zahlen sprechen ein Jahr danach noch immer für sich: Im August waren es bereits 86 Asylbewerber; im September, nach Öffnung der Grenzen, erreichten bereits 210 Flüchtlinge und im Oktober 134 die Stadt.

Anfang 2016 ließ der Ansturm nach und im April kamen nach Schließung der sogenannten Balkanroute nur noch acht Frauen und Männer, die der Stadt Erlangen von der Regierung von Mittelfranken (und damit vom Freistaat Bayern) zugeteilt wurden. Im Mai/Juni 2016 enden die Aufzeichnungen: „Wir wollten nicht immer nur noch Nullen in die Liste eintragen“, sagt Schöner, „wir bekommen ja nur noch vereinzelt, etwa über den Familiennachzug, neue Flüchtlinge hinzu.“

Die Zeiten, in denen die Stadtspitze und sie täglich überlegen mussten, wie sie die Neuankömmlinge — unter anderem in der Sporthalle der Realschule am Europakanal — unterbringen, sind (vorerst) vorbei. Derzeit gibt es im Stadtgebiet verteilt drei Gemeinschaftsunterkünfte der Regierung von Mittelfranken (im Oktober vier) und 20 dezentrale Unterkünfte.

Erst kürzlich bezogen die ersten Asylsuchenden die Container in der Hartmannstraße. Ob die Anlage ausgebaut wird, ist indes unklar. Eine geplante Aufstockung wurde durch den im Frühjahr von der Staatsregierung verhängten Baustopp für Flüchtlingsunterkünfte verhindert. Die Stadt Erlangen hatte sich über den Beschluss bei der Regierung von Mittelfranken beschwert und einen Weiterbau gefordert. Eine Entscheidung aus Ansbach steht aus.

Insgesamt halten sich momentan in der Stadt etwa 900 Flüchtlinge (darunter 260 in der Erstaufnahme) auf, über deren Asylantrag noch nicht oder negativ entschieden wurde. Im Vergleich: Im Januar 2016 brachte die Stadt rund 2000 Flüchtlinge unter.

Die rückläufigen Zahlen von neuen Asylbewerbern verschaffen Abteilungsleiterin Schöner zwar etwas „Verschnaufpause“, wie sie sagt, bringen aber zugleich neue Herausforderungen. Jetzt geht es vor allem darum, die Flüchtlinge auch langfristig in die Stadt zu integrieren. So leben etwa noch etliche bereits anerkannte Asylbewerber in dem als reine Erstaufnahmeeinrichtung ausgestatteten Gebäude in der Rathenaustraße. Die Betroffenen haben die Erlaubnis, auszuziehen. Doch auf dem angespannten freien oder auch sozial geförderten Wohnungsmarkt sei das sehr schwer, berichtet die Abteilungsleiterin.

Wo sollen Erlanger Flüchtlinge langfristig wohnen?

In den besser ausgestatteten Gemeinschaftsunterkünften (GU), in denen bereits registrierte Asylbewerber auf die Entscheidung über ihren Antrag warten, sind ebenfalls noch viele „Fehlbeleger“, wie Gabriele Schöner sagt. Diese Frauen und Männer, die offiziell in Erlangen bleiben dürfen und daher ausziehen könnten, verhinderten wiederum, dass Flüchtlinge aus „prekären“, also aus sehr beengten Verhältnissen wie am Weichselgarten oder in der Rathenaustraße in eine GU wechseln können.

Debatte um Nachverdichtung

Zusätzlich zu den „eigenen“ Flüchtlingen kämen auch zunehmend anerkannte Asylbewerber aus anderen bayerischen Städten und Landkreisen nach Erlangen. „Das erschwert die Wohnungssuche für unsere sozial schwächeren Mieter und unsere Flüchtlinge gleichermaßen.“ Ob die geplante Wohnpflicht für anerkannte Asylbewerber daran etwas ändert, werde sich zeigen, sagt die 50-Jährige.

Ein Jahr nach dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise sei es jetzt die größte Herausforderung, Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge zu finden, meint Schöner. Wie schwierig das ist, habe die jüngste Debatte um die Nachverdichtung in der Paul-Gordan-Straße und deren Verhinderung gezeigt. „Ich kann die Gründe der Gegner schon nachvollziehen, hätte mir aber persönlich doch etwas mehr Verständnis der Anwohner gewünscht.“

Beim "Aktuellen Thema" wollen wir die Meinungen unserer User bündeln und auf mehreren Kanälen einholen. Meinungsbeiträge können Sie unter diesem Kommentar von Alexander Jungkunz, Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten sowie per Mail an nn-leserbriefe@pressenetz.de (Stichwort: Flüchtlinge) schreiben.

 

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