Das sagen die Direktkandidaten

Bundestagswahl 2021: Die ersten Reaktionen der Politiker aus dem Wahlkreis Bamberg-Forchheim

26.9.2021, 20:29 Uhr
Bundestagswahl 2021: Die ersten Reaktionen der Politiker aus dem Wahlkreis Bamberg-Forchheim

© Patrick Schroll

Sehr verhalten ist die Stimmung bei der um kurz vor 18 Uhr noch überschaubaren „geschlossenen Gesellschaft“ im Forchheimer Restaurant Lübbis: Rund ein Dutzend örtliche CSU-Politiker und Politikerinnen haben sich mit Freunden und Familien hier zur Wahlparty getroffen.

Doch eine Party sollte es wenige Sekunden nach 18 Uhr nicht wirklich werden: Bereits im Vorfeld zeigte sich CSU-Stadtrat Markus Schmidt „jetzt schon traurig, weil es meiner Meinung nach für die Union nicht gut ausgehen wird“. Schmidt: „Selbst, wenn wir die SPD noch überholen können, wird es trotzdem ein gigantisch schlechtes Wahlergebnis für uns.“ Mit Blick auf die in wenigen Minuten anstehende erste Prognose erwarte er „mehr Not und Elend als Freude und Erleichterung“.

Die CSU hat ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet

Sein Stadtrats- und Parteikollege Holger Lehnard ist zu diesem Zeitpunkt etwas optimistischer: „Die Bevölkerung entscheidet, wir werden sehen, was dabei herauskommt.“ Die einzige Angst, die er im Moment, kurz vor 18 Uhr, habe, ist: „Dass wir hinterher ewig brauchen, bis wir eine neue Regierung haben.“ Seine persönliche Einschätzung: „SPD bei 24 und die Union hoffentlich bei 25 Prozent, es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen.“

Dann ist die Prognose da – und liegt erstaunlich nah an Lehnards Zahlen. Doch kein Jubel bricht aus im Lübbis, es überwiegen Stille, nachdenkliche Gesichter, weder glücklich noch entsetzt. CSU-Kreisrat Eduard Nöth bringt es auf den Punkt: „Dass wir uns inzwischen über ein Patt mit der SPD freuen müssen – schon merkwürdig.“

"Wunschkoalition: Die Schwampel, also eine schwarze Ampel"

Zehn Minuten später stößt Forchheim Bürgermeister Udo Schönfelder (CSU) dazu. „Wir haben ein besseres Ergebnis als die Umfragen vermuten ließen – und das ist doch schon mal was “, sagt Schönfelder. Die Gründe für das historisch schlechte Abschneiden der Union? „Da gab es welche, die ich jetzt nicht näher ausführen will.“ Und Schönfelders Wunschkoalition für die nächste Regierung? „Die Schwampel, also eine schwarze Ampel.“

Immerhin einig ist man sich im Lübbis: CSU-Direktkandidat Thomas Silberhorn wird es sicher wieder in den Bundestag schaffen, meinen seine Parteikollegen. Fast 45,5 Prozent der Erststimmen holte sich CSU-Politiker Thomas Silberhorn 2017 – mit großem Abstand zu den anderen Direktkandidaten (die zweitmeisten errang damals mit 17 Prozent Sozialdemokrat Andreas Schwarz). Der 52-jährige Parlamentarische Staatssekretär schaut zu späterer Stunde ebenfalls im Lübbis vorbei, das gegen 19 Uhr nunmehr aus allen Nähten platzt.

Das erwartete Wimpernschlag-Finale

"Es ist jetzt das Wimpernschlag-Finale, das viele erwartet haben", sagt er beim Betrachten der Hochrechnungen. "Was man aber schon feststellen kann: Die Mehrheit der Bevölkerung will keinen Linkskurs." Richtig zufrieden sein könne man als CDU/CSU mit dem Ergebnis "natürlich nicht. Warten wir ab".

Und sein ziemlich sicheres, eigenes Direktmandat, welche Prozentzahl wünscht er sich? "Ich habe da keine. Als Abgeordneter muss man demütig zur Kenntnis nehmen, wie die Wähler entscheiden", so Silberhorn. "Ich freue mich, dass die große Mehrheit in diesem Wahlkreis meine Kandidatur weiter unterstützt. Und ich werde in der nächsten Legislaturperiode - egal, ob in einer Regierungsfunktion oder auf der Oppositionsbank - für meinen Wahlkreis alles geben."

Verhaltener Jubel bei der SPD

Jubel, aber dann doch eher verhalten: Bei der SPD im Currywoschdhaus am Paradeplatz kommt der große Applaus erst, als das klare Ergebnis aus Mecklenburg-Vorpommern eintrifft und als klar wird, dass die AfD verliert, vor allem sehr stark in Berlin. Denn auch dort wählten die Bürgerinnen und Bürger ein neues Abgeordnetenhaus.

Das Bundestagswahlergebnis reicht aber für freudige Gesichter, kurzes in die Hände klatschen und durchatmen. Deshalb schalten die Genossinnen und Genossen kurzerhand von der ARD aufs ZDF: Die Prognose dort gefällt den Mitgliedern besser - dort liegt die SPD knapp vor der Union.

Noch kurz vor der ersten Prognose um 18 Uhr geben sich die Genossen ruhig. "Ich bin so entspannt, wie schon lange nicht mehr", sagt Forchheims SPD-Stadträtin Anita Kern. Aus dem Wahlkampf haben die Genossinnen und Genossen Mut geschöpft. Die Wählerinnen und Wähler seien auffällig interessiert an den Inhalten der Partei gewesen.

Oberbürgermeister Uwe Kirschstein: "Die Zeit für ein Zweierbündnis ist vorbei"

Einen langen Abend erwartet Forchheims Oberbürgermeister Uwe Kirschstein. Der SPD-Politiker macht klar: Er ist gegen eine mögliche Große Koalition. "Ich bin dafür, dass es eine Entscheidung geben muss. Die Zeit für ein Zweierbündnis ist vorbei." Geht es nach ihm, bricht jetzt die Zeit für Dreierbündnisse an. "Das zeigt, wie divers wir als Gesellschaft sind", sagt er. Kirschsteins Worte, er ist auch Mitglied im Landesvorstand der SPD Bayern, werden auch von vielen Parteimitgliedern bei der Wahlparty geteilt, doch nicht nur dort.

SPD-Bundestagsabgeordneter und -Kandidat Andreas Schwarz feiert den SPD-Erfolg und seinen Wiedereinzug in den Bundestag in Bamberg. Auch er sagt, dass eine erneute Auflage der GroKo sehr wahrscheinlich nicht von den Parteimitgliedern getragen werde. "Es biete sich die Ampel an", sagt Schwarz, Stand kurz vor 19 Uhr. "Mit Grün und FDP kriegen wir was hin." Am Montag geht sein Zug um 6.30 Uhr nach Berlin. Was auf dem Programm des Tages steht: "Viele Gespräche."

Michael Weiß von der AfD wollte im Wahlkampf "Deutschland vor dem Untergang retten". Und jetzt? "Jetzt gehen wir unter", sagt Weiß am Telefon. Das Katastrophenszenario teilen die Bürgerinnen und Bürger anscheinend nicht. "Sie merken es wahrscheinlich erst, wenn ihr Geldbeutel betroffen ist", meint Weiß.

Trotz Verlusten und verpassten Zielen ist der AfD-Kandidat im Wahlkreis Bamberg nicht enttäuscht vom Ergebnis. Ganz im Gegenteil. Man habe Prozente auch an die starke Konkurrenz Freie Wähler und Die Basis verloren, mutmaßt Weiß. Eine Wahlparty war bei der AfD von Anfang nicht geplant. "Ich habe meine Parteifreunde aufgerufen, bei der Auszählung in die Wahllokale zu gehen, nicht, dass dort irgendwelche Sachen passieren." Weiß bezweifelt, dass es bei der Auszählung mit rechten Dingen zugeht - ohne Hinweise zu haben.

"Sehr zufrieden mit dem bundesweiten Ergebnis der FDP"

Sven Bachmann, Direktkandidat der FDP im Wahlkreis Bamberg-Forchheim: "Ich werde nicht als Direktkandidat in den Bundestag einziehen, aber es ist eben sehr schwer im Wahlkreis gegen einen Staatssekretär anzutreten." (Anm. d. Red.: Thomas Silberhorn (CSU) ist seit 2018 parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung.) Er selbst habe einen guten Wahlkampf gemacht, so Bachmanns persönliche Bilanz. "Wenn ich am Ende zwischen acht und zehn Prozent liege, bin ich sehr zufrieden."

Er ist auch „sehr zufrieden“ mit dem bundesweiten Ergebnis der FDP. Den ersten Prognosen zufolge erreicht die Partei 12 Prozent und damit eine leichte Steigerung im Vergleich zur letzten Bundestagswahl. „Bei uns ist eine super Stimmung auf der Wahlparty!“ Doch: „Ein bisschen mehr habe ich gehofft, aber vielleicht tut sich da ja noch was. Denn es sind noch nicht alle Briefwahl-Unterlagen ausgezählt und da holt die FDP immer viele Stimmen“, sagt er.

Lisa Badum (Grüne): "Wir haben den Trend auch hier in der Region fortgeführt"

Im Bootshaus in Bamberg hat die Forchheimer Grünen-Abgeordnete Lisa Badum ihren Tross um sich versammelt. Nach den ersten Hochrechnungen erklärt sie: „Wir haben für uns das beste Bundestagsergebnissen aller Zeiten geschafft. Wir haben den Trend auch hier in der Region fortgeführt, dass die Grünen immer stärker werden und die CSU verliert.“

"Wir haben alles im Wahlkampf gegeben"

Freilich, dass muss Badum mit Blick auf die ersten Zahlen gestehen, „hätten wir uns bei den Zweitstimmen ein noch stärkeres zweistelliges Ergebnis gewünscht“. Woran lag's? „Definitiv nicht an unserem Wahlkampf vor Ort. Wir haben da alles gegeben“, sagt Badum. Was die Bundesebene angeht, das werde man „in Ruhe analysieren müssen.“

Und für ihr Direktmandat hat sie „natürlich immer Hoffnung, ob bei dieser Wahl oder der nächsten“. Bei der letzten ergatterte Badum knapp 9,5 Prozent der Erststimmen im Wahlkreis. Ihr Mandat im Bundestag wird Badum über die Landesliste der Grünen sehr sicher behalten können. „Ich freue mich natürlich über diesen Vertrauensbeweis - und auch, wenn die Wahlkreisergebnisse für uns über dem Bundesdurchschnitt bleiben.“

Fünf-Prozent-Hürde: Zittert Die Linke?

Jan Jaegers, Direktkandidat für Die Linke, sagt: "Ich bin Politikwissenschaftler. Schon als ich antrat, wusste ich, dass ich nicht gewinnen kann - in einem Wahlkreis, der seit 1940 von der CSU geführt wird." Auf der Wahlparty von Die Linke in Bamberg herrsche dagegen gute Stimmung. "Wir feiern, weil wir ein tolles Team sind und im Wahlkampf viel geleistet haben."

Laut den ersten Prognosen könnte Die Linke an der Fünf-Prozent-Hürde für den Bundestag scheitern, aber Jaegers ist zuversichtlich: "Ich zittere nicht, ich mache mir gar keine Sorgen. Es sind noch nicht alle Stimmen ausgezählt. Ich bin mir sicher, dass die Menschen wissen, dass es Die Linke als Partei für mehr soziale Gerechtigkeit im Bundestag braucht." Er hoffe immer noch auf Rot-rot-grün als Koalition, damit die Krisenthemen Klimawandel und Soziale Gerechtigkeit angegangen würden.

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