So viel Forchheim steckt in den Berlin Finals

1.8.2019, 18:41 Uhr
So viel Forchheim steckt in den Berlin Finals

© Bernd Tissen/dpa

Gerade für einen knappen Annafest-Besuch am Montag reichte die Zeit noch aus bei André Korff, ehe der Rhythmus eines reisenden Handelsvertreters die nächste Dienstreise des an 150 Tagen im Jahr im Ausland beschäftigten Bundestrainers vorsah. Vor den am 5. August im niederländischen Alkmaar beginnenden Straßenrad-Europameisterschaften verschafft sich der Ex-Profi, der in seiner aktiven Karriere unter anderem an der Seite von Jugendfreund Jan Ullrich für Team T-Mobile startete und seit 2013 für den Verband arbeitet, in Berlin einen Überblick über die Form seiner Schützlinge.

So viel Forchheim steckt in den Berlin Finals

© Wilhelm Bauer/NN-Archiv

Es geht um Olympia

Während der internationale Medaillengarant Lisa Brennauer anderweitigen Verpflichtungen bei einem Rennen in London nachkommt, muss sich das Gros seines 30-köpfigen Kaders von Ausdauer-Spezialisten im Frauen- und Jugendbereich auf der Bahn beweisen und die nötige Härte für eine mögliche Profilaufbahn im schillernden Mannschafts- und Rundfahrtbetrieb holen. Zwar stehen im Herbst noch die eigentlichen Höhepunkte mit Bahn-EM und Weltcups auf dem Programm, doch der Auftritt auf der wichtigsten nationalen Bühne hat mehr als Prestige-Wert. "Es geht um Olympia-Qualifikationen", erklärt Korff, der sich ein paar neue Bestzeiten erhofft und besonders die Entwicklung von Lisa Klein im Blick hat.

Weil die Protagonistinnen im Velodrom indes von ihren Vereinstrainern betreut werden, kann der 46-Jährige aus nächster Nähe im Innenraum in eine Beobachterrolle schlüpfen und "Gespräche führen". Den deutschen Spitzenfrauen bescheinigt Korff ein "breites, gutes Niveau". Dass die jungen Ausnahmeerscheinungen im Moment jedoch rar gesät sind, liege an den begrenzten finanziellen Mitteln der Verbände und Stützpunkte, die mehr Trainerstellen gebrauchen könnten. Viel mehr Freizeit für Annafest-Besuche würde dann aber wohl auch nicht herausspringen.

Fast schon zum lästigen Fluch wächst sich derweil das anhaltende Formhoch von Hürdensprinter Jan Schindzielorz aus. Drei Jahre nach seinem Comeback in der Leichtathletik sammelt der in Dietzhof heimisch gewordene Ex-Profi Sieg um Sieg, und hält dabei neben Senioren-Konkurrenzen eben auch noch die jüngeren Aktiven auf Trab. "Ich rechne eigentlich stetig damit, dass meine biologische Uhr anhält. Wenn ich merke, dass ich deutlich langsamer werde, muss ich mir das nicht mehr antun", sagt der 40-Jährige, der als laufender Trainer bei vier Einheiten pro Woche mit den schnellsten Akteuren des Heimatvereins LG Forchheim auf der Bahn steht. Nachdem im vergangenen Jahr die nochmalige Teilnahme an einer Deutschen Meisterschaft vor der eigenen Haustüre in Nürnberg gelang, qualifizierte sich Schindzielorz in diesem Sommer erneut für das Kräftemessen der nationalen Elite und drückte seine Karriereherbst-Bestzeit für die 110 Meter nochmal bis auf 14,32 Sekunden.

 

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© Foto: Theo Kiefner

Erklären kann er sich die Leistungen durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren. "Ich habe ja keinen Druck mehr wie früher, nehme mir jeden zweiten Tag eine Pause und bin seit drei Jahren durchgehend verletzungsfrei." Bei aller Lockerheit hat der ehrgeizige Typ freilich längst die Statistiken sondiert, rechnet sich mit der insgesamt neuntbesten Meldezeit der 22 Bewerber sogar Chancen für den Einzug ins Finale aus. "Dafür müsste alles passen", weiß Schindzielorz, der die Herausforderung den greifbaren weiteren Medaillen bei der anstehenden Senioren-Europameisterschaft in Italien vorzieht.

Zwei Staffeln im Rampenlicht

Ein besonderes Bonmot ergibt sich aus der Konstellation, dass der Senioren-Weltmeister nicht nur im Hotel am Kurfürsten-Damm in Gesellschaft von sieben ebenfalls qualifizierten Vereinskollegen sowie deren Familienangehörigen weilt. Er selbst investierte ja bis zuletzt erhebliche Energie ins geglückte Unterfangen, neben der Frauen-Staffel eben auch das männliche LG-Quartett ins Feld zu bekommen. Am Samstag können sich nun alle zusammen mit den Örtlichkeiten im Olympiastadion vertraut machen und eine Einheit zum Anschwitzen mit dem Tribünen-Besuch beim nachmittäglichen Vorlauf des Altmeisters verbinden. "Sie sollen die Kulisse aufsaugen und sich nicht einschüchtern lassen. Trotzdem wollen wir die Sache mit dem nötigen Ernst angehen", sagt Schindzielorz, der für beide Staffeln am Sonntagvormittag die Devise ausgibt, den bayerischen Vergleich mit Erlangen für sich zu entscheiden, am liebsten garniert mit neuen oberfränkischen Rekorden.

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© Foto: Eckhard Frerichs NSSV

Einen Hauch von Olympia indes kennen auch die zielsichersten Bogenschützen der Region von den Bayerischen Titelkämpfen auf der Anlage in München-Hochbrück, die für die Spiele 1972 gebaut worden war. Erst vor wenigen Wochen schossen sich Routinier Matthias Wagner (Mastersklasse Compound) vom SV Frankonia Neuses und Jakob Hetz (Herren Recurve) bei den Landesmeisterschaften des Sommers aufs Podium ihrer Wertungsklasse. Bereits am heutigen Freitag geht das Duo auf der deutschen Ebene im Vergleich mit den mehr als semiprofessionellen Cracks der Szene allerdings in der Außenseiterrolle an den Start. Um ins Achtelfinale einzuziehen, müsste Hetz, Deutscher Juniorenmeister 2014, in zwei Durchgängen mit je 36 Pfeilen wohl an die 660 Ringe erzielen. Bei 720 möglichen Punkten erreicht der 23-jährige Student aktuell einen Bestwert von 642. Die Oberste Prämisse laute daher, "die Atmosphäre zu genießen", bekräftigt die stolze Mutter Ute.

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